Zwei Tage nach der Serie von Selbstmordanschlägen auf Kirchen und Hotels in Sri Lanka ist die Zahl der Todesopfer auf 310 gestiegen. Sri Lankas Regierung hat eine einheimische Islamistengruppe für die verheerenden Anschläge vom Ostersonntag verantwortlich gemacht. Sieben Selbstmordattentäter hatten in drei Kirchen und drei Luxushotels Hunderte Menschen mit in den Tod gerissen und mehrere Hundert verletzt. Die Regierung sei überzeugt, dass die Gruppe National Thowheeth Jama'ath die Taten verübt habe, sagte ein Kabinettssprecher.

Internationale Unterstützung

Sri Lankas Behörden überprüfen seinen Angaben zufolge auch, ob die Gruppe "internationale Unterstützung" hatte. "Wir glauben nicht, dass eine kleine Organisation in diesem Land all das alleine machen kann", sagte der Sprecher. Zuvor habe es Hinweise auf Anschlagspläne der Gruppe gegeben.

Schweigeminute am Dienstag

Am Dienstag gedachten die Menschen in Sri Lanka mit drei Schweigeminuten der Opfer der Anschläge. Die Schweigeminuten begannen am Dienstag um 8.30 Uhr (Ortszeit) - dem Zeitpunkt, zu dem am Sonntag die erste Bombe detoniert war. Die Flaggen wurden auf Halbmast gesetzt. Für den gesamten Dienstag gilt eine Staatstrauer.

China warnt vor Reisen

China hat indes seine Staatsbürger vor Reisen auf die Insel gewarnt. Angesichts der "riesigen Sicherheitsrisiken" dort wäre es schwer, ihnen effektive Hilfe anzubieten, schrieb die chinesische Botschaft in Colombo am Dienstag auf ihrer Website.

China ist ein Großinvestor auf der Insel, die in den vergangenen Jahren auch ein immer wichtigeres Ziel für Touristen geworden ist.

Hinweise ignoriert

Mehr als eine Woche vor der Anschlagsserie hatte die Polizei des Landes Hinweise auf mögliche Angriffe auf Kirchen. Der stellvertretende Polizeichef Priyalal Dissanayake verfasste am 11. April ein Schreiben, in dem er von Anschlagsplänen einer einheimischen Islamistengruppe auf katholische Kirchen sowie die indische Botschaft in Sri Lanka warnte. Er berief sich dabei auf einen "ausländischen Geheimdienst". Namentlich genannte Verdächtige hätten nach dem Anschlag auf zwei Moscheen im März im neuseeländischen Christchurch gegen andere Religionen gehetzt, hieß es.

Kabinettssprecher Rajitha Senaratne bestätigte am Montag in einer Pressekonferenz die Echtheit des an mehrere Polizeieinheiten adressierten Schreibens, das Telekommunikationsminister Harin Fernando auf Twitter veröffentlicht hatte. Premierminister Ranil Wickremesinghe sei jedoch nicht informiert worden.

Senaratne, der auch Gesundheitsminister ist, kritisierte das angespannte Verhältnis zwischen Wickremesinghe und den Sicherheitsdiensten unter Staatspräsident und Verteidigungsminister Maithripala Sirisena. Sirisena hatte Wickremesinghe Ende vergangenen Jahres überraschend entlassen und ersetzt. Wickremesinghe gewann aber den Machtkampf und blieb im Amt. "Dies ist das einzige Land, wo, wenn der Premierminister den Sicherheitsrat einberuft, sie (gemeint sind deren Mitglieder) nicht erscheinen", sage Senaratne.

Die NTJ soll hinter der Beschädigung buddhistischer Statuen in Sri Lanka im vergangenen Jahr stehen. Islamistische Terrorangriffe hatte es bisher in dem tropischen Inselstaat nicht gegeben. Auch von Angriffen ausländischer Islamisten blieb das Land bisher verschont. Nur rund zehn Prozent der Bevölkerung Sri Lankas sind Muslime.

Anschläge zeitgleich in drei Kirchen und Luxushotels

Die Explosionen in drei Kirchen und drei Luxushotels hatten sich am Sonntagvormittag nahezu zeitgleich ereignet - sie wurden nach Angaben eines Forensikers des Verteidigungsministeriums von insgesamt sieben Selbstmordattentätern verübt. Zu zwei späteren Explosionen in einem weiteren Hotel und einer Wohngegend in Vororten der Hauptstadt Colombo gab es zunächst keine näheren Angaben. Insgesamt gab es mindestens acht Detonationen. In den Kirchen fanden gerade Ostergottesdienste statt. Dort gab es die meisten Opfer. Am Sonntagabend wurde in der Nähe des größten Flughafens der Insel, rund 30 Kilometer von Colombo entfernt, ein Sprengsatz gefunden und entschärft, wie ein Sprecher der Luftwaffe mitteilte.

Die Motive der Attentäter waren auch am Montagmorgen noch unklar. Nach Polizeiangaben wurden inzwischen 24 Verdächtige festgenommen, die verhört würden. Sie seien alle Mitglieder einer "extremistischen" Gruppe, sagte ein Polizeivertreter. Wie Premierminister Wickremesinghe in einer Fernsehansprache sagte, stammten die Festgenommenen alle aus Sri Lanka. Er wolle aber im Ausland um Unterstützung bitten, um herauszufinden, ob die Angreifer Verbindungen zum internationalen Terrorismus hätten. "Wir werden nicht zulassen, dass der Terrorismus in Sri Lanka sein Haupt erhebt. Alle Maßnahmen werden ergriffen, um den Terrorismus auszulöschen", sagte Wickremesinghe.

35 Ausländer unter den Toten

Die überwiegende Mehrzahl der insgesamt mindestens 290 Toten stammen aus Sri Lanka. Nach Polizeiangaben wurden aber auch mindestens 35 Ausländer aus mehreren Ländern getötet. Unter den rund 500 Verletzten, die noch in Krankenhäusern behandelt wurden, waren 19 Ausländer. Österreicher dürften nach bisherigen Informationen nicht unter den Opfern sein.

Die Regierung in Sri Lanka hat eine erneute Ausgangssperre für Colombo angeordnet, die von Montag 20.00 Uhr bis Dienstag 04.00 Uhr gelten soll. Sri Lankas Präsident Maithripala Sirisena, der sich zum Zeitpunkt der Anschläge im Ausland aufhielt, ordnete Regierungskreisen zufolge für Montagvormittag ein Treffen des nationalen Sicherheitsrates an, um über die Lage zu beraten. Am Sonntag war bereits eine Ausgangssperre verhängt worden. In der Hauptstadt Colombo war es ruhig. Auch nach Ende der ersten Sperre blieben die Schulen und Universitäten zunächst geschlossen.

Notstandsbestimmungen in Kraft

Zudem kündigte Sri Lankas Regierung am Montagabend Notstandsbestimmungen an. Der Sicherheitsrat der Regierung habe beschlossen, dem Militär und der Polizei weitreichende Befugnisse zu erteilen, teilte das Büro des Staatspräsidenten Maithripala Sirisena mit. Die Bestimmungen treten demnach um Mitternacht (20.30 Uhr MESZ) in der Nacht zum Dienstag in Kraft.

Während des Bürgerkriegs in Sri Lanka von 1983 bis 2009 hatten fast dauerhaft Notstandsbestimmungen für Armee und Polizei gegolten. So durften Sicherheitskräfte Wohnungen ohne Erlaubnis eines Gerichts durchsuchen. Sie konnten Verdächtige auf Anweisung des Verteidigungsministeriums drei Monate lang einsperren, ohne sie einem Richter vorzuführen.

Schmerzhafte Erinnerungen an Bürgerkrieg

Für viele Menschen brachten die Anschläge schmerzhafte Erinnerungen an den blutigen Bürgerkrieg zurück. Während des 37-jährigen Konflikts mit tamilischen Rebellen kamen Zehntausende ums Leben. "Damals hatten wir stets Angst, in Züge oder in Busse zu steigen, weil jederzeit Paketbomben hochgehen konnten", berichtete der Straßenkehrer Malathi Wickrama in Colombo.

Der UN-Sicherheitsrat verurteilte die Anschlagsserie auf das Schärfste. Zugleich sprach er den Familien der Opfer der "abscheulichen und feigen" Anschläge tief empfundenes Mitgefühl aus, wie es in einer Mitteilung des UN-Gremiums hieß. Den Verletzten werde eine rasche Genesung gewünscht.

Warnung vor neuerlichen Anschlängen

Die USA warnten unterdessen in ihren neuesten Reisehinweisen, dass die Anschläge in Sri Lanka weitergehen könnten. "Terroristische Gruppen planen weitere mögliche Angriffe", hieß es darin. Ziele könnten neben Hotels und Gebetshäusern auch andere Orte sein, an denen sich Touristen aufhalten, sowie Einkaufszentren und Verkehrsknotenpunkte.

Die Anschlagsserie sorgte international für Entsetzen. Aus Solidarität mit Sri Lanka leuchtete das Rathaus von Tel Aviv in den Farben des Inselstaates. Am Eiffelturm in Paris wurde auf die traditionelle Nachtbeleuchtung verzichtet, um der Opfer in Sri Lanka zu gedenken.