Nach dem Brand von Notre-Dame hat sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Dienstagabend in einer Fernsehansprache an die Nation gewandt - und zur Instandsetzung ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Die Kirche solle innerhalb von fünf Jahren wiederhergestellt werden. Das Wahrzeichen solle dann noch schöner sein als vorher, sagte Macron. "Wir werden handeln. Und wir werden Erfolg haben", versicherte er.

"Nicht die richtige Zeit"

Die Verkündung seiner Reformmaßnahmen hat er im Zuge der "Nationalen Debatte"auf unbestimmte Zeit verschoben. Im Moment sei nicht die richtige Zeit dafür, sagte der Präsident. Wegen des Feuers hatte er bereits am Montag eine TV-Ansprache und eine Pressekonferenz zu seinen Reformplänen abgesagt. Er hatte eine Bürgerdebatte zur Beruhigung der "Gelbwesten"-Krise im Jänner ins Leben gerufen und den Franzosen für Mitte April konkrete Ergebnisse versprochen.

Schwachstellen im Gebäude

Das Feuer war auf dem Dachboden von Notre Dame ausgebrochen und nach einem Alarm um 18.43 Uhr entdeckt worden. Nach einem ersten Alarm um 18.20 Uhr war zunächst kein Brandherd gefunden worden. Erst am Dienstagvormittag verkündete Feuerwehrsprecher Gabriel Plus: "Das ganze Feuer ist aus." Man habe die ganze Nacht über sichergestellt, dass das Feuer nicht wieder ausbricht, und die Gebäudestrukturen überwacht. Nun beginne die Phase der Begutachtung.

Nach Angaben des französischen Innenstaatssekretärs Laurent Nunez entdeckten Fachleute "einige Schwachstellen". Diese betreffen vor allem das Gewölbe, wie Nunez sagte. "Im Ganzen hält die Struktur gut", fügte er hinzu. Auf Bildern waren riesige Löcher in Teilen des Gewölbes zu sehen. Fotos zeigten außerdem Berge von Trümmern im Innenraum der gotischen Kathedrale, deren Geschichte bis ins Jahr 1163 zurückreicht.

Die Pariser Staatsanwaltschaft geht von einem Unfall aus. "Nichts weist derzeit in die Richtung einer vorsätzlichen Tat", sagte Staatsanwalt Remy Heitz am Dienstag. Nun würden Zeugen angehört - auch Arbeiter, die Renovierungsarbeiten ausführten. Auf dem Dach von Notre Dame hatten die Bauarbeiter ein Gerüst angebracht. Nach ersten Erkenntnissen der Feuerwehr wurden bei dem Einsatz drei Menschen leicht verletzt - zwei Polizisten und ein Feuerwehrmann.

Dachstuhl stand lichterloh in Flammen

Das Feuer auf dem Dach hatte sich sehr schnell auf rund 1.000 Quadratmeter ausgebreitet, wie Feuerwehrsprecher Plus erläuterte. Der Dachstuhl stand lichterloh in Flammen; über Paris bildete sich eine gigantische Rauchwolke. Der kleine spitze Vierungsturm in der Mitte des Dachs stürzte ein, die beiden Haupttürme konnten jedoch gerettet werden - die Feuerwehr hatte große Sorge um deren Standsicherheit. Plus zufolge hatte man befürchtet, dass die tonnenschweren Glocken von Notre Dame aus der geschwächten Konstruktion abstürzen könnten.

Eine der wichtigsten Reliquien wurde aus der brennenden Kathedrale gerettet. Es handle sich dabei um die Dornenkrone, die Jesus Christus bei seiner Kreuzigung getragen haben soll, sagte der Direktor des Gotteshauses, Patrick Chauvet. Die Flammen hätten den Kirchenschatz nicht erreicht.

Chauvet sieht nach eigener Darstellung keine Sicherheitsmängel beim Brandschutz. So hätten Brandaufseher dreimal täglich den Dachstuhl geprüft. "Ich denke, dass man nicht mehr machen kann." Aber es gebe natürlich immer Vorfälle, die man so nicht habe vorhersagen können.

Das Inferno von Notre Dame warf auch in mehreren Ländern Fragen nach dem Brandschutz historischer Kirchen auf. Spanien kündigte an, die Elektrik seiner bedeutenden Baudenkmäler überprüfen zu lassen.

In Wien so nicht möglich

Einen ähnlich verheerenden Brand könne es im Wiener Stephansdom nicht geben, beruhigte indes Dompfarrer Toni Faber. Der Dachstuhl des Domes ist nämlich nicht wie jener der Notre Dame aus Holz, sondern aus Stahl. Zusätzlich ist der Innenraum mit einem speziellen Brandschutzsystem ausgestattet. Zudem erfolge gerade die Erneuerung der Brandschutzmelder im Dachboden. "Wir sind auf gutem Weg, up to date zu sein."