Die Schießerei in der niederländischen Stadt Utrecht hat einem türkischen Medienbericht zufolge einen familiären Hintergrund. Der mittlerweile gefasste Täter habe auf eine Verwandte geschossen und später auf Menschen, die der Frau zur Hilfe kommen wollten, meldete die amtliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu unter Berufung auf Verwandte des Flüchtigen. Im Zusammenhang mit der Tat wurde nach Angaben der Polizei ein zweiter Verdächtiger festgenommen. Es sei aber unklar, inwieweit er beteiligt gewesen sei. Der Vorwurf laute auf Verdacht des Totschlags mit einem terroristischen Motiv.

Die niederländische Polizei hatte zuvor Namen und Foto des verdächtigen Mannes aus der Straßenbahn veröffentlicht. Wer den Verdächtigen sehe, solle sich ihm nicht nähern, sondern die Polizei rufen, hieß es.

Der von der Polizei als Tatverdächtiger identifizierte 37-jährige Türke hatte in einer Straßenbahn drei Menschen erschossen und fünf weitere verletzt. Drei davon sollen sich in ernstem Zustand befinden. Bürgermeister Jan van Zanen sagte: "Es ist heute ein schwarzer Tag für unsere Stadt Utrecht."

Rutger Jeuken vom niederländischen Innenministerium sagte am Abend, die Spuren deuteten auf ein terroristisches Motiv hin, man könne jedoch auch andere Motive nicht ausschließen.

Die Behörden erklärten, sie ermittelten weiterhin wegen eines "terroristischen Motivs" hinter der Tat. Sie könnten andere Motive jedoch nicht ausschließen, auch eine Beziehungstat sei möglich. Medienberichten zufolge soll der Täter auf eine ihm bekannte Frau und auf Menschen, die ihr halfen, gezielt haben. Dem Sender NOS zufolge sei Gökmen Tanis vor zwei Wochen in einem Vergewaltigungsfall vor Gericht erschienen.

Der Vater des Tatverdächtigen, Mehmet Tanis, forderte die Bestrafung seines Sohns, sollte sich dessen Schuld erweisen, wie die türkische Nachrichtenagentur DHA meldete. Der Mann kehrte demnach nach seiner Scheidung von seiner Frau 2008 in die Türkei zurück. Die Frau und Gökmen blieben in den Niederlanden. "Wenn er es getan hat, muss er bestraft werden", zitierte DHA den Vater.

Am Nachmittag hatte ein Polizeisprecher gesagt: "Es könnte auch sein, dass es eine Beziehungstat ist." Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte hatte zunächst von einem "Anschlag" gesprochen. Die Behörden hoben für die Provinz Utrecht die Terrorwarnung auf die höchste Stufe an.

Der als Gökmen Tanis Identifizierte ist für die Polizei jedenfalls kein Unbekannter: "Er kam schon oft in Kontakt mit der Justiz, wurde in den letzten Jahren mehrmals vor Gericht gestellt – unter anderem wegen Schusswaffengebrauchs und versuchtem Totschlag", berichtete der Fernsehsender RTV. 

Nach dem Anschlag in der niederländischen Stadt Utrecht hat Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron auf Twitter die "blutige Gewalt" verurteilt, an die man sich nicht gewöhnen werde. Ein Terroranschlag wird von den Behörden nicht ausgeschlossen. Frankreich war in den vergangenen Jahren Ziel von islamistischen Terroranschlägen, dabei wurden rund 250 Menschen aus dem Leben gerissen.

Schulen geschlossen

Der Angriff löste einen massiven Polizeieinsatz in Utrecht aus. Die Stadt empfahl den Schulen zu schließen und den Einwohnern, im Haus zu bleiben. Am Nachmittag umstellten schwer bewaffnete Anti-Terror-Einheiten unterstützt von einer Hundestaffel ein Gebäude in der Nähe des Tatorts, wie ein AFP-Reporter berichtete.

Zunächst blieb jedoch offen, ob sich der Schütze in dem Gebäude befand. Die Militärpolizei verschärfte die Sicherheitsvorkehrungen für Flughäfen und wichtige Gebäude sowie Moscheen in den Niederlanden.

Kontrollen verstärkt

An der deutsch-niederländischen Grenze wurden die Kontrollen verstärkt. Auch die Landespolizei in Nordrhein-Westfalen verschärfte nach Angaben des Innenministeriums in Düsseldorf ihre Kontrollen. Eine "systematische Fahndung" gab es demnach unter anderen im Umfeld von Bahnhöfen und Flughäfen sowie an Pendlerparkplätzen und Tiefgaragen.

Das Auswärtige Amt in Berlin verschärfte seine Reisehinweise für Utrecht. Besucher sollten die Lage in örtlichen Medien verfolgen und den Anweisungen der Polizei folgen. Zudem sollten sie bis zur Entwarnung in "sicheren Unterkünften" bleiben.

Anders als in vielen Nachbarländern sind die Niederlande in den vergangenen Jahren von Terroranschlägen verschont geblieben. In den vergangenen Monaten gab es allerdings eine Reihe bedrohlicher Vorfälle.

So vereitelte die niederländische Polizei erst im September nach eigenen Angaben einen großen Anschlag. In den Städten Arnheim und Weert wurden sieben Verdächtige festgenommen, die einen islamistischen Anschlag auf eine Großveranstaltung geplant haben sollen. In den Wohnungen der Verdächtigen fanden die Ermittler große Mengen an Materialien zur Herstellung von Bomben, darunter hundert Kilogramm Dünger.