Die Bevölkerung Neuseelands steht unter Schock. Mindestens 49 Menschen starben, nachdem mehrere Terroristen Dutzende Menschen in zwei Moscheen in Christchurch niedergeschossen haben. Öffentliche Gebäude und Schulen in der zweitgrößten Stadt des Landes und größten auf der Südinsel wurden abgeriegelt. Premierministerin Jacinda Ardern sprach von einem der "dunkelsten Tage" in der Gesichte ihres Landes. 48 weitere Menschen wurden nach der Attacke mit Schusswunden in Krankenhäuser gebracht.

Drei Personen in Polizeigewahrsam

Drei Verdächtige sind in Polizeigewahrsam, ein vierter, der ebenfalls mit einer Waffe festgenommen wurde, hat nach bisherigen Erkenntnissen nichts mit der Tat zu tun. Der australische Premierminister Scott Morrison bestätigte, dass einer der Verdächtigen – offenbar der Haupttäter – Australier ist. Der neuseeländische Polizeichef Mike Bush bezeichnete die Situation "als sehr ernst" und warnte die Menschen, in ihren Häusern zu bleiben. Schulen und öffentliche Gebäude wurden bis 18 Uhr abgeriegelt.

Ardern nannte die Attacke einen bislang "beispiellosen Gewaltakt" für Neuseeland. Sie betonte, dass viele Einwanderer betroffen seien, die in den Moscheen ihr Freitagsgebet sprachen. "Viele von jenen, die von diesem Angriff betroffen sein werden, dürften Einwanderer sein", sagte Ardern. "Sie sind vielleicht sogar Flüchtlinge. Sie haben entschieden, Neuseeland zu ihrer Heimat zu machen, und es ist ihre Heimat. Sie sind wir."



Die Attentäter hingegen seien es nicht. "Dies ist einer von Neuseelands dunkelsten Tagen", sagte die Sozialdemokratin. Sie sprach von einer Terrorattacke, die Terrorstufe wurde nach dem Angriff auf "hoch" gesetzt. "Wir sind eine stolze Nation von mehr als 200 Ethnien und 160 Sprachen", sagte die Regierungschefin. Und: „In unserer Vielfalt teilen wir gemeinsame Werte. Der Wert, der für uns im Moment der wichtigste ist, ist Mitgefühl und Unterstützung für die Gemeinschaft jener, die unmittelbar von dieser Tragödie betroffen ist."

Noch ist unklar, wer die Täter sind. Sie sollen Sicherheitskreisen nicht bekannt gewesen sein, auf keiner Terrorliste gestanden haben. Im Internet kursierte ein Video, das einen Angreifer zeigt, der die Attacke über eine Kamera an seinem Helm über 17 Minuten lang live gestreamt hat. Analysten stufen das Video, das fieberhaft gelöscht wurde, aber immer wieder auftauchte, als echt ein. Darin ist zu sehen, wie der Attentäter bei der Al-Noor-Moschee vorfährt, sein Auto parkt und mit einer Waffe hineingeht. Bereits im Eingang schießt er ein erstes Opfer nieder.

Peter R. Neumann, Terrorexperte und Autor
Peter R. Neumann, Terrorexperte und Autor © (c) APA/HELMUT FOHRINGER



Der Schütze hat mindestens eine halbautomatische Schusswaffe bei sich, weiße Botschaften sind auf Waffe und Munition geschrieben. Das Video das zeigt, wie der Mann wahllos auf Menschen in dem Gebäude schießt.
Der Mann, der in dem Video behauptet, der Attentäter zu sein, hat zudem ein über 70-seitiges Manifest online gestellt, in dem er sich als weißen, 28-jährigen, in Australien geborenen Mann bezeichnet. Er beschreibt die Motivation für seinen Angriff als anti-islamisch, betont aber, dass er damit auch ein grundsätzliches Zeichen gegen Immigration setzen wolle.

Er habe eine normale Kindheit ohne große Probleme gehabt, aber wenig Interesse an Schule gehabt und habe nicht studiert. „Ich bin nur ein normaler weißer Mann aus einer normalen Familie“, schreibt er darin. Er empfinde keinen Hass gegen Muslime in ihrer Heimat, aber gegen diejenigen, die andere Länder „einnehmen” würden und gegen Menschen, die zum Islam konvertierten. Er äußerte Sympathien für andere extremistische Attentäter wie Luca Traini, Anders Breivik, Dylan Roof, und Darren Osbourne. Australiens Premier Morrison beschrieb den Täter als "gewalttätig und rechtsradikal".

"Für immer verändert"

Der Mann, der in dem im Internet verbreiteten Video zu sehen war, ist laut lokaler Medien unter den Verdächtigen, die gefasst wurden. Mehrere an Autos befestigte Sprengsätze konnten rechtzeitig entschärft werden. Die geschockte Bürgermeisterin Lianne Dalziel: "Ich hätte nie erwartet, dass so etwas in Christchurch, geschweige denn in Neuseeland, passieren könnte." Ein Bürger aus der 350.000-Einwohner-Metropole, den der "Guardian" als Mike bezeichnete, sagte: "Dies verändert für immer, wie Neuseeländer über ihre Heimat denken."

Christchurch erholt sich nach wie vor vom verheerenden Erdbeben 2011, bei dem fast die gesamte Innenstadt verwüstet und 185 Menschen getötet wurden. Neuseelands letztes Massaker, bei dem 13 Menschen sowie der Attentäter starben, ereignete sich 1990 in Aramoana in der Nähe von Dunedin. 2016 hatte ein Waffenexperte jedoch gewarnt, dass sich eine Tragödie wie die in Aramoana wiederholen könne, da nicht bekannt sei, wer 95 Prozent aller Schusswaffen im Land besitze, nachdem es kein zentrales Register gebe.