Die deutsche Hilfsorganisation Sea-Watch hat wegen ihres blockierten Rettungsschiffes mit Migranten an Bord den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingeschaltet. "Wir haben im Namen der Crew und eines Geretteten (...) ein Eilverfahren gestartet", erklärte Sprecher Ruben Neugebauer am Montagabend.

Die "Sea-Watch 3" hatte vor rund zehn Tagen 47 Migranten vor Libyen geborgen und harrt nun vor der sizilianischen Küste der Dinge. Italien verweigert dem Schiff, anzulegen.

"Wir können nicht länger hinnehmen, dass die europäischen Staaten gemeinschaftlich das Seerecht brechen und wir können nicht akzeptieren, dass Seenotrettung von EU-Verhandlungen abhängig gemacht wird", so Neugebauer zur Deutschen Presse-Agentur. Nähere Details zu dem Verfahren beim Gerichtshof sollten am Dienstag bekanntgegeben werden.

Die italienische Regierung erklärte wiederum, die Gerichtsbarkeit liege bei Holland, da das Schiff unter niederländischer Flagge fahre. Man biete einen "humanitären Korridor" an, um die Migranten in die Niederlande zu bringen, hieß es in einer Mitteilung. Die "Sea-Watch 3" habe nach der Aufnahme der Migranten nicht Tunesien als "sicheren Hafen" angesteuert, sondern habe eine "hunderte Meilen lange Fahrt gewagt" in Richtung Italien und so die Menschen an Bord in Gefahr gebracht. "Es bleibt eine abschließende Frage: War das Ziel der Sea-Watch, die Migranten zu retten und ihnen im ersten sicheren Hafen (Tunesien) schnell Schutz zu bieten oder einen internationalen Fall zu schaffen, um die Aufmerksamkeit der Massenmedien auf sich zu ziehen?", hieß es weiter.

Auch Rom schaltet Menschenrechtsgerichtshof ein

Auch die italienische Regierung wendet sich jetzt wegen des vor der Küste Siziliens blockierten Rettungsschiffes mit Migranten an Bord an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Die Regierung will dem Gericht ein Dossier vorlegen.

In dem Dossier bemängelt die Regierung das "kühne Verhalten" der Crew des Schiffes, das mit niederländischer Flagge unterwegs sei. Statt vor den hohen Wellen Schutz an der naheliegenden tunesischen Küste zu suchen, habe das Schiff eine lange Seefahrt in Richtung Sizilien unternommen und dabei das Leben der 47 Migranten an Bord des Schiffes aufs Spiel gesetzt. Die italienische Regierung verlangt die Anerkennung der Verantwortung der Niederlanden für das Schiff. Rom erklärte sich bereit, einen humanitären Korridor zu organisieren, damit die 47 Migranten von den Niederlanden aufgenommen werden können.

"Wir sind mit EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos in Verbindung. Wir haben die EU-Kommission geweckt, sie tut als würde sie diese Situation nichts angehen", kritisierte der italienische Vizepremier und Fünf Sterne-Chef Luigi Di Maio. Er beschuldigte die Schiffscrew, die Migranten unbedingt nach Italien bringen zu wollen, um Spenden zu sammeln. "Italien ist die Bühne der Migrationsproblematik. Sea Watch sammelt auf seiner Webseite Spenden", kritisierte Di Maio.

Die sizilianischen Justizbehörden haben indes Ermittlungen gegen Italiens Sozialdemokraten-Chef Maurizio Martina aufgenommen. Der Oppositionspolitiker war am Montag mit Parteispitzenpolitiker Matteo Orfini an Bord des Schiffes gegangen. Er trotzte somit einem Verbot der Hafenbehörde, sich dem Schiff zu nähern.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wurde 1959 in Straßburg von den Mitgliedstaaten des Europarats errichtet, um die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention sicherzustellen.

Die EU-Staaten können sich seit Jahren nicht auf eine Verteilung von Bootsflüchtlingen einigen. Seit Italien Rettungsschiffen die Einfahrt verwehrt, wurden mehrere Boote teils wochenlang auf dem Meer blockiert.