Zeugen des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt in Straßburg haben den Angreifer "Allahu Akbar" (Gott ist groß) rufen hören. Angesichts des Zielorts, seiner Vorgehensweise und der Zeugenaussagen habe die Antiterrorabteilung der Pariser Staatsanwaltschaft die Ermittlungen übernommen, sagte der Pariser Antiterror-Staatsanwalt Remi Heitz am Mittwoch in Straßburg.

In Straßburg sind demnach bisher zwei Menschen ums Leben gekommen, eine weitere Person sei hirntot, sagte Heitz weiter. Zwölf Menschen wurden verletzt, sechs von ihnen sehr schwer. Am Vormittag hatte die Präfektur gleich zweimal die Anzahl der Toten und Verletzten korrigiert, zuletzt auf drei Tote und 13 Verletzte.

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Attentäter mit marrokanischen Wurzeln

Die Abriegelungsmaßnahmen in Teilen der Innenstadt wurden in der Nacht aufgehoben. Jeder sei aufgefordert, aufmerksam zu sein und sich an die Sicherheitsvorschriften zu halten, hieß es weiter. Nach dem Täter Cherif C. werde weiter gesucht, zudem wird auch nach seinem Bruder gefahndet. Der vermutlich radikalisierte Mann mit marrokanischen Wurzeln hatte am Dienstagabend mitten in der Weihnachtssaison in der Straßburger Innenstadt das Feuer eröffnet.

Obwohl Anti-Terror-Spezialisten die Ermittlungen übernommen haben, will sich das französische Innenministerium nicht auf ein terroristisches Motiv des Täters festlegen. Ein terroristischer Hintergrund sei im Moment noch nicht sicher, sagte der Staatssekretär im Innenministerium, Laurent Nunez dem Sender RTL. Der mutmaßliche Täter sei zwar polizeibekannt gewesen, allerdings bisher nicht im Zusammenhang mit Terrorismus.

Er sei mehrfach im Gefängnis gewesen und dort sei auch eine Radikalisierung festgestellt worden, "allerdings nur in der religiösen Praxis". Zuvor war bekannt geworden, dass der Täter auf der Sicherheitsakte "Fiche S" geführt worden sei - einer Liste von Personen, die verdächtigt werden, radikalisiert zu sein. Frankreichs Regierung ließ nach dem Anschlag die höchste nationale Sicherheitswarnstufe ausrufen. Das bedeutet etwa verstärkte Kontrollen an den Grenzen des Landes.

Auch in Luxemburg kriminell

C. ist auch in Luxemburg kriminell unterwegs gewesen. Die DNA von Cherif C. sei bei einem versuchten Einbruchsdiebstahl im Jahr 2012 am Tatort gefunden worden, sagte ein Sprecher der Regierung in Luxemburg am Mittwoch. Danach sei auch ein Strafverfahren gegen C. eingeleitet worden. Eine Vorladung habe dem Mann aber nicht zugestellt werden können, da sein Wohnort damals unbekannt gewesen sei, sagte ein Sprecher der Luxemburger Justiz. Der 29-Jährige soll am Dienstagabend in der Straßburger Innenstadt um sich geschossen haben. Zwei Menschen wurden getötet, ein Opfer sei hirntot, zwölf Menschen wurden verletzt, teilte die Pariser Staatsanwaltschaft mit.

Die französische Regierung schließt nicht aus, dass der Straßburger Attentäter nach Deutschland geflüchtet sein könnte. "Aber was ich sagen möchte, ist, dass natürlich sofort die Grenzschließung sichergestellt wurde und Straßburg (...) abgeriegelt wurde", sagte Nunez. Die deutschen Sicherheitsbehörden sind nach Informationen des Berliner "Tagesspiegels" nicht nur an der Suche nach dem Attentäter von Straßburg beteiligt, sondern fahnden auch nach dessen Bruder. Die beiden wohnten in Straßburg, wie das Blatt am Mittwoch berichtete.

Die Brüder würden als radikalisiert eingestuft und dem Straßburger Islamistenmilieu zugerechnet, sagte ein hochrangiger Sicherheitsexperte der Zeitung. Kontakte zur Salafistenszene in Deutschland seien bisher allerdings nicht bekannt. Der Attentäter war demnach wegen eines schweren Diebstahls von Jänner 2016 bis Februar 2017 in Deutschland in Haft gesessen. Im Februar 2017 sei er nach Frankreich abgeschoben worden. Dort sei er als terroristischer Gefährder eingestuft, in Deutschland aber offensichtlich nicht, schreibt der "Tagesspiegel".

Bei der Flucht hätte sich der Angreifer zwei Mal Schusswechsel mit Sicherheitskräften geliefert, Innenminister Christophe Castaner. An der Suche nach dem 29-Jährigen seien derzeit 350 Sicherheitskräfte beteiligt. Unterstützt wurden diese unter anderem von zwei Hubschraubern. Der Mann sei der französischen Justiz bekannt gewesen, sagte Castaner. Demnach wurde er in der Vergangenheit auch in Deutschland verurteilt.

Bei dem Terroranschlag ist unter andrem ein Tourist aus Thailand getötet worden. Das Außenministerium in Bangkok bestätigte, dass es sich bei einem der Opfer um einen 45 Jahre alten Mann handelt, der zusammen mit seiner Frau zu einem Urlaub in Frankreich war. Das Paar war erst wenige Stunden zuvor eingetroffen. Die Frau blieb dem Ministerium zufolge unverletzt. ORF-Reporter Peter Fritz versuchte einen der Getroffenen wiederzubeleben.

Derweil sicherte Staatschef Emmanuel Macron den Opfern des Angriffs die Solidarität Frankreichs zu. "Solidarität der gesamten Nation mit Straßburg, unseren Opfern und ihren Familien", schrieb Macron im Kurzbotschaftendienst Twitter.

Soldaten haben nach dem Angriff auf den Straßburger Weihnachtsmarkt am Dienstagabend den mutmaßlichen Schützen angeschossen. Bei der Verfolgung des flüchtigen Verdächtigen sei es zu einem Feuergefecht bekommen, teilte die Polizei mit. Anti-Terror-Spezialisten der Pariser Staatsanwaltschaft übernahmen die Ermittlungen. Die Untersuchung wurde unter anderem dem Inlandsgeheimdienst DGSI übergeben.

Mehrjährige Welle von Terror

Frankreich ist in der Vergangenheit von einer Welle islamistischen Terrors überzogen worden. Dort gilt seit längerem eine stark erhöhte Alarmbereitschaft. Seit Anfang 2015 starben rund 240 Menschen bei Anschlägen. Allein bei der folgenschwersten Attentatswelle kamen im November 2015 130 Menschen in Paris ums Leben.