Nach eigenen Angaben haben chinesische Wissenschafter die CRISPR/Cas-Genscheren-Methode erstmals angewendet, um die Keimbahn des Menschen zu verändern. Aus der Erbsubstanz befruchteter Eizellen der vor einigen Wochen geborenen Mädchen Lulu und Nana war das Gen für den CCR5-Rezeptor entfernt worden, durch den Aids-Viren Zellen infizieren. International werden solche Versuche überwiegend abgelehnt.

"Zwei gesunde kleine Mädchen mit den Namen Lulu und Nana kamen weinend auf die Welt - so wie alle anderen Babys. Grace, die Mutter, war wie nach einer normalen In-Vitro-Fertilisierung schwanger geworden. Mit einem Unterschied: Unmittelbar nachdem wir das Sperma ihres Mannes in die Eizelle eingeführt hatten, fügten wir auch ein kleines Protein für eine 'Gen-Chirurgie' ein", war von He Jiankui von der Southern University of Science and Technology (Shenzen) auf "YouTube" zu hören. Damit sei auf der Ebene der befruchteten Eizellen jenes "Tor" entfernt worden, über das Aids-Viren in Zellen gelangen können. CCR5 ist ein sogenannter Co-Rezeptor für HI-Viren (neben CD4). Gibt es auf Zellen keine CCR5-Strukturen, sind sie HIV-resistent.

20 Paare vorgesehen

Die Sache hat für die chinesischen Wissenschafter einen ernstzunehmenden Hintergrund. Sie führen die von ihnen im chinesischen Register für klinische Studien angemeldeten Untersuchung zur "Sicherheit und Wertigkeit des Editierens des CCR5-Gens für eine HIV-Immunität bei menschlichen Embryos" durch. Bei den Probanden handelt es sich um Paare mit Kinderwunsch, bei denen der Mann HIV-positiv ist. Allerdings muss die HIV-Infektion medikamentös unter Kontrolle sein. 20 Paare sind für die klinische Studie vorgesehen. Es handelte sich um die erste Geburt von Babys nach einem derartigen Eingriff.

Unmittelbar nach Bekanntwerden der Erklärung des chinesischen Wissenschafters setzte international heftige Kritik ein. Mit der CRISPR/Cas9-Genschere lassen sich die Gene von Zellen sehr zielgerichtet verändern. Erfolgt dies in der Keimbahn, geben die betroffenen Menschen die veränderten Erbanlagen an ihre Kinder weiter. Markus Hengstschläger, Organisationseinheitsleiter des Zentrums für Pathobiochemie und Genetik Leiter des Instituts für Medizinische Genetik der MedUni Wien, erklärte dazu gegenüber der APA: "Bei diesem Genom-Editing werden Gene modifiziert oder korrigiert. In somatischen Zellen - in Geweben - ist das eine Riesenchance. Eine somatische Gentherapie, zum Beispiel bei Lungenkrebs eines Erwachsenen oder bei vererbbarer Muskelschwäche bei Kindern, bei denen die Krankheit vorliegt, wäre toll. Aber in der Keimbahn, also am Embryo, wird das aus ethischen Gründen in den meisten Staaten der Erde abgelehnt."

Abseits des Ziels 

Dafür nannte Hengstschläger mehrere Gründe: "Die CRISPR/Cas9-Methode ist genauer. Sie funktioniert aber nicht immer ganz genau. Damit kann es zu (genetischen; Anm.) Effekten abseits des eigentlichen Ziels kommen (Off-Target; Anm.). Das kann fatal enden. Das hat man nicht im Griff. Darüber hinaus ist das ein Eingriff in die Evolution. Wir verändern den Menschen. Das holen wir nicht mehr zurück." Das menschliche Genom habe sich über Millionen von Jahren im Laufe der Entwicklung des Homo sapiens als Interaktion zwischen Genetik und Umwelt langsam entwickelt. "Bei solchen Versuchen haben wir aber keine Ahnung, was da herauskommt. Zurückdrehen können wir das nicht mehr. Eine Folgenabschätzung ist unmöglich."

In Österreich wären solche Eingriffe, so wie in den meisten Staaten der Erde, zum Beispiel auch in den USA, verboten. Erlaubt hingegen wäre die Entwicklung von Methoden, um mit CRISPR/Cas9 Krankheiten ohne Eingriff in die Keimbahn zu behandeln, die bestimmte Organe oder Gewebe betreffen. "Bei den Experimenten handelt es sich um unverantwortliche Menschenversuche", wurde Peter Dabrock, Vorsitzender des Deutschen Ethikrates zitiert. "Die Neben- und Spätfolgen sind noch unabsehbar und schwer zu kontrollieren."