Auch beim Telefonat mit Miriam Ebner mag das Grauen vor Ort für einen Europäer, der sich am gerade prächtigen Herbstwetter erfreut, nur schwer vorstellbar bleiben. Was die erprobte Linzer Caritas-Helferin, die seit Dienstag in Makassar in dem von Erdbeben und Tsunami schwer gezeichneten Katastrophengebiet in Indonesien weilt und arbeitet, erzählt, macht diese humanitäre Katastrophe aber zumindest um einiges greifbarer.

Zu wenige Leichensäcke

"Selbst die Leichensäcke gehen aus. 200.000 Menschen sind akut auf Hilfe angewiesen, 60.000 sind geflüchtet." "Das Gebiet" ist vor allem das etwa zwei Stunden von Makassar entfernte Palu. Bis gestern wurde die Opferzahl offiziell bereits mit mehr als 1550 Toten angegeben. Hunderte werden so rasch es geht in Massengräbern beigesetzt, um der Ausbreitung von Seuchen vorzubeugen. Bergungsarbeiten laufen weiter, das Zeitfenster, in dem noch mit Überlebenden gerechnet werden kann, schließt sich jedoch zusehends.

Seit Tagen wurden keine Überlebenden mehr unter den Trümmern entdeckt. Am heutigen Freitag läuft eine vorläufige Frist für die Rettungseinsätze ab. Danach gelten die Chancen als sehr gering - und viele traumatisierte Familien dürften allmählich traurige Gewissheit haben.

Miriam Ebner wurde 1985 in der Gemeinde Pichling bei Linz geboren und studierte Internationale Entwicklung in Wien, Berlin und Kampala. Bisherige Auslandsaufenthalte absolvierte sie u.a. in Rumänien, Moldawien, Bulgarien und Bangladesch. Für die Caritas war sie bereits als Katastrophenhelferin in Griechenland (Flüchtlingshilfe), in Haiti (Hurrikan "Matthew") und im vergangenen Jahr bei der Hungerkatastrophe im Norden Kenias im Einsatz.
Miriam Ebner wurde 1985 in der Gemeinde Pichling bei Linz geboren und studierte Internationale Entwicklung in Wien, Berlin und Kampala. Bisherige Auslandsaufenthalte absolvierte sie u.a. in Rumänien, Moldawien, Bulgarien und Bangladesch. Für die Caritas war sie bereits als Katastrophenhelferin in Griechenland (Flüchtlingshilfe), in Haiti (Hurrikan "Matthew") und im vergangenen Jahr bei der Hungerkatastrophe im Norden Kenias im Einsatz. © Caritas

Nach der Katastrophe wuchs die Wut über ein mögliches Versagen der Behörde: Das Tsuami-Frühwarnsystem habe zwar einwandfrei angeschlagen, der Alarm sei aber viel zu früh wieder zurückgenommen worden. Sirenen seien an den Stränden nicht zu hören gewesen. "Das vorherrschende Gefühl ist derzeit nicht diese Wut, sondern Solidarität", erläutert Ebner. Es fehle an allem, Trinkwasser, Lebensmittel – und nicht zuletzt an der Möglichkeit, die Menschen medizinisch zu versorgen.

Besondere Sorge bereitet die Tatsache, dass mit Ende Oktober die Regenzeit naht. Nicht zuletzt der Ausbruch von Krankheiten wird befürchtet. Die Infrastruktur in den betroffenen Gebieten ist weitflächig zerstört, nun geht es auch darum, mobile Kliniken für die vor Ort unermüdlich arbeitenden Ärzteteams zu schaffen.



Die indonesische Regierung beorderte Militär und Feuerwehren in die Krisenregion, ausländischen Hilfskräften wird der direkte Zutritt nicht gewährt. Es gehe derzeit vor allem um das Organisieren und Koordinieren von lebensnotwendiger Hilfe, erläutert Ebner, die mit einem Schweizer Kollegen in den südostasiatischen Inselstaat aufbrach. So wichtig das ausreichende Bereitstellen von spendenfinanzierten Hilfsgütern ist, so wichtig ist es auch, dafür zu sorgen, dass diese auch dort ankommen, wo sie am dringendsten gebraucht werden.

Viele wurden zu Waisen

Besonders schlimm getroffen hat es die Kinder, sie benötigen dringend "psychologische Erste Hilfe", wie es Ebner nennt. Viele haben Angehörige verloren oder wurden im Chaos, das über das Gebiet kam, von ihnen getrennt. Dass die Kleinen "voller Furcht und auch schwer traumatisiert" sind, bestätigte auch Zubedy Koteng, Kinderschutzexperte von Save The Children. Vieles in Palu, der Hauptstadt der Provinz Zentralsulawesi, sei schlichtweg ausgelöscht, Kinder verbringen ihre Nächte auf der Straße.

Wann Ebner zurückkehrt, ist bislang noch offen, es wird noch sehr viel zu tun sein: In den nächsten Wochen gehe es um die akute Versorgung, danach beginnt die Aufbauarbeit. Diese wird viele Monate dauern.