Nach seinen umstrittenen Äußerungen zum Ausmaß rechtsextremer Übergriffe im ostdeutschen Chemnitz hat der deutsche Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen die Gründe für seine Einschätzung vorgelegt. Sein Bericht sei am Montag im Innenministerium eingegangen, sagte dessen Sprecherin in Berlin. Regierungssprecher Steffen Seibert bestätigte, dass der Bericht auch im Kanzleramt vorliege.

Innenminister Horst Seehofer (CSU) will sich nun persönlich ein Bild machen, außerdem sollen die parlamentarischen Gremien über den Inhalt des Berichts informiert werden. Hintergrund ist ein Interview von Maaßen in der "Bild"-Zeitung. Dem Medium hatte er gesagt, es lägen seinem Amt keine belastbaren Informationen darüber vor, dass in Chemnitz nach dem gewaltsamen Tod eines Deutschen vor zwei Wochen "Hetzjagden" auf Ausländer stattgefunden hätten. Damit widersprach er Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und deren Sprecher Seibert.

Maaßen sagte weiter, es lägen auch keine Belege dafür vor, dass ein im Internet kursierendes Video zu den Vorfällen authentisch sei. Ein 35-jähriger Deutscher war Ende August durch Messerstiche getötet worden, als Tatverdächtige sitzen zwei mutmaßlich aus dem Irak und Syrien stammende Männer in Untersuchungshaft. Nach einem dritten Tatverdächtigen aus dem Irak läuft eine internationale Fahndung.

Debatte gewinnt an Fahrt

Die Debatte um Rechtsextremismus und Sicherheit in Deutschland gewann nach einem Streit zwischen zwei Männergruppen und dem Tod eines Deutschen im sachsen-anhaltischen Köthen weiter an Fahrt. Ermittler bestätigten, dass der 22-jährige Deutsche am Wochenende an Herzversagen gestorben war. Sie schlossen zwar Verletzungen etwa durch Tritte oder Schläge gegen den Kopf als Todesursache aus - zwei Afghanen, 18 beziehungsweise 20 Jahre alt, sitzen allerdings wegen des Verdachts der Körperverletzung mit Todesfolge in Untersuchungshaft.

Einer der beiden verdächtigen Afghanen sollte schon vor Monaten abgeschoben werden. Wegen damals laufender Ermittlungen habe die Staatsanwaltschaft aber zunächst nicht zugestimmt.

Als Reaktion auf den Tod des Mannes hatten rechte Gruppen für Sonntagabend zu einer Demonstration in Köthen aufgerufen, an der sich rund 2500 Menschen beteiligten. Unter ihnen waren nach Angaben der Sicherheitsbehörden etwa 500 Rechtsextreme aus Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Thüringen.

Prüfung der Behörden

Der Staatsschutz prüft jetzt die Redebeiträge auf strafbare Inhalte. Hintergrund seien zahlreiche Meldungen in sozialen Netzwerken sowie Medienberichten, wonach ein Redner unter anderem von einem "Rassenkrieg" gesprochen hatte, sagte eine Sprecherin der Polizei Dessau-Roßlau. Die Polizei nahm zunächst zehn Anzeigen auf. Es werde wegen des Verdachts der Volksverhetzung, der Beleidigung, Verstößen gegen das Versammlungsrecht sowie einer Körperverletzung gegen Pressevertreter ermittelt, sagte Sachsen-Anhalts Landespolizeidirektorin Christiane Bergmann.

Die deutsche Regierung zeigte sich angesichts dieser neuerlichen, mutmaßlich rechtsextremen Haltungen unter den Demonstranten empört: "Dass es (...) am Ende des Tages in Köthen, wie ein Video zeigt, zu offen nationalsozialistischen Sprechchören gekommen ist, auch das muss uns betroffen machen und empören", sagte Regierungssprecher Seibert.

Man habe mit Trauer und Betroffenheit auf den Tod des 22-Jährigen reagiert. Wie es dazu kam, und ob die Verdächtigen daran Schuld tragen, sei nun von Polizei und Staatsanwaltschaft zu klären. Für Montagabend hat die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) eine weitere Veranstaltung in Köthen angekündigt.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) forderte nach den fremdenfeindlichen Demonstrationen von Chemnitz und Köthen den Einsatz aller Demokraten gegen Rechtsextremisten. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) lobte die Reaktion der Politik und der Bevölkerung Köthens. Er glaube nicht, dass ein zweites Chemnitz drohe, sagte er. Politik und Bürger hätten rasch reagiert, "von Anfang an klar Kante gezeigt" und sehr verantwortungsbewusst gehandelt.