Heimkinder mit Beeinträchtigungen haben in der Nachkriegszeit vielerorts Gewalt und Medikamentenmissbrauch erlebt. Das deutsche Bundessozialministerium geht davon aus, dass es wahrscheinlich knapp 100.000 Frauen und Männer gibt, die nach 1949 als Kinder und Jugendliche in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe oder Psychiatrie in Deutschland Leid und Unrecht erfahren haben.

Unterstützung sollen Betroffene über die Stiftung Anerkennung und Hilfe erhalten, die im vergangenen Jahr ihre Arbeit aufgenommen hat. Die Aufarbeitung des Unrechts steht nach Angaben des Historikers Hans-Walter Schmuhl allerdings noch am Anfang. "Es hat erst einzelne Einrichtungen gegeben, die sich mit ihrer Vergangenheit beschäftigt haben", sagte der außerplanmäßige Professor der Universität Bielefeld, der Deutschen Presse-Agentur.

Jüngst veröffentlichte Studie

Welche Menschenrechtsverletzungen es mancherorts gab, zeigt eine jüngst veröffentlichte Studie über eine kirchliche Einrichtung im niedersächsischen Rotenburg an der Wümme. Demnach wurden in der damaligen Behinderteneinrichtung noch nicht zugelassene Präparate getestet, etwa um Bettnässen zu verhindern oder den Sexualtrieb zu unterdrücken. Unruhige oder vermeintlich schwierige Kinder und Jugendliche wurden mit Arzneimitteln ruhig gestellt, Gewalt gehörte zum Alltag.

Die Pharmazeutin Sylvia Wagner aus Krefeld fand zudem Belege dafür, dass mehrere auffällige Jugendliche am Gehirn operiert wurden - ohne den gewünschten Erfolg, aber mit fatalen Folgen für die Betroffenen. Die Studie entstand im Auftrag der Einrichtung, die heute Rotenburger Werke heißt.