Mit der Festnahme des Tunesiers Sief Allah H. in Köln haben die Sicherheitsbehörden womöglich einen Biowaffenanschlag in Deutschland verhindert. Dem 29-Jährigen sei es Anfang Juni gelungen, mit zuvor beschafften Gerätschaften und Substanzen hochgiftiges Rizin herzustellen, teilte die Bundesanwaltschaft am Donnerstag in Karlsruhe mit.

Noch "nicht abschließend geklärt" sei allerdings, ob H. das Gift bei einem islamistischen Attentat einsetzen wollte.

Biowaffen gebastelt

Der Tunesier soll bereits seit mehreren Wochen in seiner Wohnung an den Biowaffen gebastelt haben. Das Material zur Herstellung des hochgiftigen Rizin hatte er sich nach Erkenntnissen der deutschen Bundesanwaltschaft zunächst im Internet gekauft und dann seit Anfang Juni zusammengemischt. Es bestehe deswegen dringender Tatverdacht, so die Justizbehörde.

Der 29-Jährige hatte den Verdacht der Sicherheitsbehörden geweckt, weil er auffällig im Internet eingekauft hatte. Unter anderem hatte Sief Allah H. bei einem Online-Versandhändler 1.000 Rizinussamen und eine elektrische Kaffeemühle erworben. "Anfang Juni 2018 setzte der Beschuldigte sein Vorhaben um und stellte erfolgreich Rizin her", teilte die Bundesanwaltschaft mit. "Dieses konnte bei dem Beschuldigten sichergestellt werden." Rizin gilt als eines der tödlichsten Gifte der Welt.

Nach "Spiegel"-Angaben orientierten sich die Bestellungen an einer Anleitung der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zur Herstellung einer Rizinbombe. Laut Bundesanwaltschaft ist aber noch nicht klar, ob der Tunesier einen islamistisch motivierten Anschlag begehen wollte. "Vor diesem Hintergrund besteht derzeit kein dringender Tatverdacht wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat", hieß es weiter. Hinweise, wann und wo der Mann seine Waffe eventuell hätte einsetzen können, gebe es nicht.

Samen frei im Internet bestellbar

Der Düsseldorfer Toxikologe Gerhard Fritz nannte es höchst bedenklich, dass man die Samen frei im Internet bestellen könne. Bei einem derart giftigen Stoff, der schon in geringen Mengen tödlich wirke, sei das "sehr beunruhigend". Bereits die Dosis aus einem einzigen Samen könne ein Kind töten, erläuterte der Leiter des Instituts für Toxikologie an der Uni Düsseldorf der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) hatte am Mittwochabend Haftbefehl gegen den 29-jährigen erlassen. Laut "Kölner Stadt-Anzeiger" und "Express" soll der Tatverdächtige erst im November 2016 nach Deutschland eingereist und polizeilich nicht in Erscheinung getreten sein. Staatsschutz und Ermittlungsbehörden hätten einen Hinweis auf den Mann erhalten, der dann observiert und am Dienstagabend festgenommen wurde. Spezialkräfte stürmten die Wohnung des Mannes, seiner Frau und Kinder in einem Hochhaus.

"Potenziell biologischer Kampfstoff"

Der "Bild"-Zeitung zufolge sollen die deutschen Sicherheitsbehörden aus den USA einen Hinweis auf H. erhalten haben. Der US-Geheimdienst CIA bemerkte demnach den Interneteinkauf von Rizinussamen.

Das deutsche Robert Koch-Institut (RKI) stuft das leicht erhältliche Rizin aus dem Samen des Wunderbaums als "potenziellen biologischen Kampfstoff" ein. Handel und Umgang mit der Reinsubstanz seien nach dem Chemiewaffen-Übereinkommen von 1997 beschränkt. Schon in geringer Konzentration kann Rizin tödlich sein. Sollte das Gift gespritzt werden, wirkt es nach RKI-Angaben binnen 36 bis 48 Stunden tödlich.

Laut "Bild" sprach ein Ermittler angesichts des entdeckten Rizins vom "größten Gefahrenpotenzial, das jemals in Europa gefunden wurde".

Vor einigen Wochen waren in Frankreich zwei Brüder festgenommen worden. Die jungen Männer ägyptischer Herkunft sollen nach Angaben des französischen Innenministeriums einen Anschlag entweder mit Sprengstoff oder mit Rizin vorbereitet haben.