Die ZAMG erforscht in einem österreichisch-russischen Forschungsprojekt den Permafrostboden auf der Jamal-Halbinsel in Nordwest-Sibirien. Beim Auftauen der oberen Bodenschichten werden große Mengen Kohlenstoff frei, die zur Klimaerwärmung beitragen. Basierend auf Messungen am Boden und mit Satelliten wurde jetzt erstmals eine Karte für die gesamte nördliche Polarregion erstellt, welche die Berechnung des frei werdenden Kohlenstoffs ermöglicht.

Erstmals detaillierter Datensatz über den Zustand der Landoberfläche in den Permafrostregionen der gesamten nördlichen Polarregion: Die neue Karte (links) weist rund 30 Prozent als Sumpfgebiet aus. In bisherigen Karten (rechts) waren es nur ein bis sieben Prozent. Diese Sumpfgebiete sind sommerliche Auftauzonen über dem Permafrost (blau markiert) in ebenem Gelände. Gelb markiert sind trockene Tundrazonen und Fels.
Erstmals detaillierter Datensatz über den Zustand der Landoberfläche in den Permafrostregionen der gesamten nördlichen Polarregion: Die neue Karte (links) weist rund 30 Prozent als Sumpfgebiet aus. In bisherigen Karten (rechts) waren es nur ein bis sieben Prozent. Diese Sumpfgebiete sind sommerliche Auftauzonen über dem Permafrost (blau markiert) in ebenem Gelände. Gelb markiert sind trockene Tundrazonen und Fels. © Karte links: ZAMG/TU Wien. Karte rechts: GlobCover

Als Permafrostboden werden Böden bezeichnet, die ab einer bestimmten Tiefe das ganze Jahr gefroren sind. Der Permafrost auf der Jamal-Halbinsel im Nordwesten Sibiriens (Russland) taut auf Grund der Klimaerwärmung immer mehr auf. Klimamodelle lassen erwarten, dass der Permafrost in dieser Region bis zum Jahr 2100 völlig verschwindet.

Beim Auftauen wird Kohlenstoff freigesetzt

Das immer stärkere Auftauen hat zum einen starke Auswirkungen auf die Infrastruktur der Region, wie Straßen, Bahnlinien, Gebäude und Pipelines. In Jamal sind einige der weltweit größten Förderanlagen für Erdgas, das auch nach Mittel-Europa exportiert wird. Zum anderen werden beim Auftauen große Mengen Kohlenstoff frei, der seit Jahrtausenden im Boden gebunden war. Kohlenstoff (C) verstärkt in der Atmosphäre in der Form von Methan (CH4) und Kohlendioxid (CO2) den Treibhauseffekt und trägt somit zur Erwärmung der Erde bei.

Wechselwirkung zwischen Böden und Klima

Die ZAMG arbeitet derzeit in einem österreichisch-russischen Projekt, das die natürlichen und menschlichen Einflüsse auf den Permafrostboden und die Auswirkungen des Auftauens erforscht. Projektleiterin auf österreichischer Seite ist die ZAMG-Klimaforscherin Annett Bartsch: „Auf Jamal führt Russland seit den 1980er-Jahren regelmäßige Messungen durch. Das ist eine der weltweit längsten Datenreihen von Permafrost bzw. der jährlichen Auftau-Tiefe. Wir sind in dem Projekt für die Analyse der Satelliten-Daten zuständig. Aus der Kombination der Daten lassen sich aus Einzelmessungen am Boden Langzeit-Analysen für die gesamte nördliche Polarregion ableiten. Diese Daten gehen dann wiederum in Computermodelle ein, welche die Wechselwirkungen zwischen Boden und Klima berechnen."

Mehr Sumpfgebiete als bisher angenommen

So konnte vor kurzem im Rahmen des österreichisch-russischen Projekts erstmals eine wichtige Randbedingung der Modelle sehr detailliert bestimmt werden. Aus Bodenmessungen und Satelliten-Daten wurde für die gesamte nördliche Polarregion ein sehr detaillierter Boden-Datensatz erstellt. Er ermöglicht unter anderem, zu berechnen, wie viel Methan jeden Sommer an die Atmosphäre abgegeben wird. Bisherige Karten wiesen nur ein bis sieben Prozent Sumpfgebiete auf, die neue Karte 30 Prozent. „Wichtig ist dabei auch, dass wir auf Grund der Satelliten-Messungen sehr genau die starken Schwankungen der Oberflächenhydrologie im Laufe eines Jahres bestimmen können", sagt Klimaforscherin Bartsch, „diese ist eng mit dem Permafrost und den Methanemissionen verknüpft. Wir kombinieren dafür die Daten unterschiedlicher Satelliten. So liefert uns zum Beispiel der deutsche TerraSAR-X Satellit mit bis zu zwei Meter eine extrem hohe räumliche Auflösung. Der japanische ALOS-2 Satellit arbeitet dagegen nur mit zwölf Meter Auflösung, dringt bei den Messungen aber tiefer in die Vegetation ein und liefert wertvolle Informationen über Änderungen in den oberen Schichten des Bodens. Der europäische Satellit Sentinel-1 gibt auch Aufschluss über die Gefriertiefe der Seen im Winter."

Rätsel um runde Krater und Seen

In dem Projekt geht es auch darum einige der immer noch ungelösten Rätsel des Permafrosts zu lösen, wie die in den letzten Jahren vermehrt entstandenen, sehr regelmäßig runden und tiefen Krater und Seen. „Die Untersuchungen der Kolleginnen und Kollegen der Russischen Akademie der Wissenschaften sprechen dafür, dass hier ebenfalls das Auftauen und Methan ein große Rolle spielen", erklärt Annett Bartsch, „wenn der Boden auftaut, entweichen mit einem Schlag die unterirdisch in Hohlräumen gesammelten Methan-Blasen und die Bodendecke bricht ein. Durch Schmelzwasser entstehen in den Kratern dann auch Seen."

Mensch verstärkt Auftauen des Permafrosts

Einen großen Einfluss auf den Permafrost hat auch der Mensch. Wie weit der Boden auftaut, hängt auch stark mit dem Bewuchs zusammen. Neben natürlicher Erosion spielen große Baumaßnahmen ein wichtige Rolle, wie Straßen, Bahnlinien und Städte, sagt ZAMG-Expertin Bartsch: „Die Messungen zeigen, dass Veränderungen durch menschliche Aktivitäten einen Kreislauf anstoßen können. Wird zum Beispiel der Bewuchs durch Baumaßnahmen weniger, kommt es zu Erosionserscheinungen, was wiederum den Bewuchs weiter reduzieren kann. Auf diese Weise wird das Auftauen des Permafrosts nicht nur durch die Klimaänderung beeinflusst."

Auftautiefe hat um 30 Zentimeter zugenommen

Durch die Klimaerwärmung sowie natürliche und menschliche Einflüsse taut der Permafrost in den letzten Jahren ständig weiter auf. Die saisonale Auftautiefe auf Jamal ist seit den 1980er-Jahren bis heute um rund 30 Zentimeter mächtiger geworden. Auch der Sommer 2015 ließ den Boden überdurchschnittlich tief tauen, sagt Klimaforscherin Bartsch: „Die 0-Grad Grenze wurde heuer bei bis zu 150 Zentimeter gemessen. Der durchschnittliche Wert seit Beginn der Messungen liegt bei 140 Zentimeter. In den 1980er-Jahren war sie mit maximal 120 Zentimeter deutlich weniger tief."