Sind mittlerweile schon alle Weltmeere durch Plastikmüll verschmutzt und bedroht - gibt es noch so etwas wie sauberes Meer?
NUNU KALLER: Die Verschmutzung der Meere durch Plastikabfall ist mittlerweile zu einem globalen Problem geworden und findet sich in allen Meeren wieder. Wir wissen von Studien, die an unterschiedlichsten Stellen im Meer mehr Mikroplastikfasern und -kügelchen als Plankton nachweisen. Zusätzlich schwimmt im Nordpazifik eine "Plastikinsel", die 16 Mal so groß wie Österreich ist. 

Sind Plastiksackerln die Wurzel allen Übels - oder nur die Spitze des Eisbergs?
KALLER: Plastiksackerl sind natürlich nur ein Teil des Problems, jedoch ein Teil, bei dem man de facto viele Handlungsmöglichkeiten zur Reduktion hat. In den vergangenen Jahren hat der Anteil an sogenanntem kurzlebigen Plastik (Verpackungen, Plastiksackerl) stark zugenommen. Plastiksackerl sind durchschnittlich eine halbe bis eine Stunde im Gebrauch, brauchen aber 450 Jahre, um zu verrotten. Das Plastiksackerl-Problem in Österreich etwa ist wesentlich größer als ursprünglich angenommen. Greenpeace-Recherchen haben ergeben, dass anstatt der offiziell genannten 350 Millionen Sackerl, rund eine Milliarde Sackerl pro Jahr anfallen - die Hälfte davon sind die dünnen Knotenbeutel für Obst, Gemüse und Fleisch, die EU-weit gar nicht reduziert werden müssten. Diese Zahl ist viel zu hoch. Die EU hatte ursprünglich den Plan, den Einsatz von dünnwandigen Plastiksackerl bis 2019 um 80 Prozent zu reduzieren, jetzt hat man sich auf einen Kompromiss geeinigt: 50 Prozent Reduktion und viele Ausnahmen. Das geht uns nicht weit genug, wir fordern von Umweltminister Rupprechter, dass Österreich über die EU-Ziele hinausgeht. 

Wie soll man global Herr des Problems werden, wenn man schon auf nationaler Ebene und auf EU-Ebene keine bindenden Entschlüsse zu Plastikmüll zuwege bringt?
KALLER: Es gibt in einigen Ländern bereits rechtsbindende Regelungen, beispielsweise in Nordirland, wo es keine Gratisabgabe von Plastisackerln mehr gibt, und die Einnahmen in eine Umweltstiftung fließen. Diese Beispiele zeigen, dass es sehr wohl möglich ist, die Plastikschwemme auch durch gesetzliche Regelungen einzudämmen. Daher fordern wir einen Plastiksackerl-Reduktionsplan für Österreich - je mehr Länder nationale Gesetzgebungen einführen, desto eher wird man auf einer globalen Ebene ankommen. 

Wer ist am ehesten durch Plastikmüll bedroht?
KALLER: Plastikmüll ist einerseits eine Bedrohung für Meereslebewesen, die sich durch den Plastikmüll strangulieren oder ersticken, weil sie es für Futter halten. Viele Tiere verhungern und verdursten, da die Plastikteile ihre Mägen verstopfen und keinen Platz mehr für Flüssigkeit und echte Nahrung lassen. Eine nicht minder große Gefahr stellt das Mikroplastik dar, Kleinstpartikel aus Plastik, die stellenweise im Meer öfter als Plankton vorkommen. Meerestiere verwechseln diese nämlich mit Plastik und fressen diese. Sowohl die Auswirkungen auf die Meeres-Lebewesen selbst - aufgrund der Schadstoffbelastung dieser Kleinstpartikel - als auch die Auswirkungen auf uns Menschen - Stichwort Nahrungskette - sind noch weitgehend unerforscht. 

Wie setzt sich Greenpeace derzeit ein, um auf das Problem aufmerksam zu machen?
KALLER: Greenpeace in Österreich setzt sich intensiv gegen den Einsatz von "Wegwerf-Plastik" ein, die an Minister Rupprechter adressierte Petition hat bereits über 25.000 Unterschriften. Wir fordern: den Beschluss eines verbindlichen Plastiksackerl-Reduktionsziels von zumindest 80 Prozent binnen 4 Jahren in Österreich, ein Aus für Gratis-Plastiksackerl in Österreich, ein vollständiges Verbot von Mikroplastik in Kosmetika und Maßnahmen zur Reduktion von Plastikverpackungen im Handel. Für KonsumentInnen hat kürzlich auf der Wiener Mariahilferstraße eine sehr erfolgreiche Sackerltauschaktion unter dem Titel "Nimm kein Plastiksackerl für dein Packerl" stattgefunden: Für fünf Plastiksackerl gab es eine GOTS-zertifizierte Baumwolltasche. Die Aktion wurde von den KonsumentInnen sehr gut angenommen. Es geht auch um ein Umdenken, viele Plastiksackerl werden aus reiner Bequemlichkeit entgegengenommen. 

Ist es realistisch, dass der Kampf gegen die Meeresverschmutzung ein wesentlicher Punkt für einen Pariser Vertrag 2015 wird?
KALLER: Soweit bekannt ist, wird es kein wesentlicher Punkt sein.

Wie ist der Umgang des Binnenlandes Österreich mit Plastikmüll?
KALLER: Österreich ist mit Sicherheit kein Vorzeigeland was stoffliches Recycling von Plastik anbelangt. Der Großteil an Plastikmüll aus dem Haushalt wird in Österreich verbrannt. Nur ein kleiner Teil des Plastikmülls wird tatsächlich recycelt – etwa PET-Getränkeflaschen, die über die gelbe Tonne gesammelt werden. Plastikmüll aus Österreich kann jedoch aufgrund der Donaukraftwerke nicht in größeren Mengen ins Meer gelangen.

Wie kann man die Meeresverschmutzung kontrollieren?
KALLER: Meeresverschmutzung kann verschiedene Gründe haben. Neben Plastikmüll sind auch Ölunfälle auf offener See, radioaktive Strahlung und Verschmutzung mit toxischen Substanzen eine große Gefahr für unsere Meere. Letztendlich kann Meeresverschmutzung nur gestoppt werden, wenn alle Nationen Verantwortung übernehmen. Das Problem der Plastikverschmutzung ist beispielsweise auf EU-Ebene hinreichend bekannt. Es bestehen einige Übereinkommen, die generell das Problem des Mülls in den Meeren thematisieren, bis heute fehlt aber eine realistische Umsetzung zur Bekämpfung der Verschmutzung der Meere.

INTERVIEW: THOMAS GOLSER