Washington Post

"Nach fünf Jahren im Amt ist es Macron nicht gelungen, den Links- oder den Rechtspopulismus endgültig ins Abseits zu drängen. Im Gegenteil: Während sich 28 Prozent der Wähler in der ersten Runde der Wahl am 10. April für Macron entschieden, stimmten mehr als 52 Prozent für Populisten (...). Diese Politiker nähren sich von der anhaltenden und wachsenden Kluft zwischen den Teilen Frankreichs, die sich in der vielfältigen, wirtschaftlich modernen Gesellschaft, die Macron bietet, wohlfühlen, und denen, die sich von dem Mann, den sie als 'Präsidenten für die Reichen' verspotten, ausgegrenzt fühlen. (Die rechtspopulistische Kandidatin Marine) Le Pen hat ihre höchste Anzahl an Stimmen eingefahren, indem sie ihren Stil mäßigte und über alltägliche Themen wie die Inflation sprach, die ganz Europa im Zuge der Pandemie und Russlands Einmarsch in die Ukraine getroffen hat. Das letztere Ereignis macht es natürlich wichtiger denn je, dass die politische Mitte in diesem europäischen Schlüsselland Bestand hat. Wenn Macron die richtigen Lehren aus dem populistischen Aufschwung in seinem Land zieht, auf die berechtigten Bedenken seiner Kritiker eingeht und entsprechend regiert, kann Frankreichs Mitte weiterhin Bestand haben und, wie die Amerikaner hoffen müssen, weiter wachsen."

De Telegraaf – Amsterdam

"Das amtierende Staatsoberhaupt erreichte zwar eine größere Mehrheit als erwartet, aber das bedeutet nicht, dass gut die Hälfte der Franzosen ihn auch wirklich unterstützt. Ein großer Teil von ihnen wollte vor allem dafür sorgen, dass Marine Le Pen nicht in den Élysée-Palast einzieht. Die linken Wähler, die Macron ihre Stimme gaben, taten das oft nur widerwillig. (...)

Ungeachtet seiner Mehrheit steht Macron vor großen Herausforderungen. Er will nun eine umstrittene Pensionsreform anpacken, die er in seiner ersten Amtszeit nicht durchsetzen konnte. Der Präsident findet, das Pensionsantrittsalter der Franzosen müsse von 62 auf 64 steigen. Marine Le Pen hatte das Pensionsalter nicht anrühren wollen, (der linkspopulistische Kandidat) Jean-Luc Mélenchon wollte es sogar auf 60 absenken. Zusammen waren diese beiden Kandidaten in der ersten Runde auf 45 Prozent gekommen. Wenn sich alle wütenden Franzosen und die Gewerkschaften zusammentun, kann sich das Land auf heftige Demonstrationen und Streiks einstellen."

Público – Lissabon

"Wie erwartet wurde Emmanuel Macron mit einer deutlichen Mehrheit wiedergewählt. Das republikanisch-demokratische Frankreich und Europa atmen erleichtert auf. Aber diese Kräfte haben im Kampf gegen den populistischen Extremismus nur Zeit gewonnen. Le Pen brachte dieses Gefühl zum Ausdruck, als sie das Ergebnis der Wahl als "Sieg" bezeichnete. Sie ist heute gemäßigter und Macron hat nicht alle seine Versprechen umgesetzt. Die Probleme der Mittelschicht haben sich verschärft und das soziale Klima wurde durch Ungleichheit und die Probleme bei der Integration von Einwanderern aufgeheizt.

In vielen Ländern Europas ist es nicht mehr ausgeschlossen, dass Europa in die Hände derer fallen könnte, die es hassen. Ein Europa müder Bürger, die nicht verstehen, dass sie trotz allem im besten politischen, wirtschaftlichen und sozialen Raum der Welt leben. Wähler, die an die Wunder des Nationalismus glauben, die Einwanderern die Schuld geben und alle Politiker für korrupt halten. Entweder findet die Demokratie in Europa ein Gegenmittel zu diesem Trend oder ihre Feinde werden noch stärker."

Neue Zürcher Zeitung

"Viele Franzosen dürften mit Macrons Wiederwahl einen schalen Beigeschmack empfinden. Besonders Wähler auf der Linken waren frustriert über die Wiederholung des Stichwahl-Duells. Eine xenophobe und europafeindliche Präsidentin vom rechten Rand mag für sie zwar ein Grauen sein, ein weiteres Mandat für den in ihren Augen 'ultraliberalen' und arroganten Macron ist aber nur wenig besser. (...)

Macrons erste Amtszeit war zwar alles andere als ein Fiasko. Die Wirtschaft hat er gestärkt, die Arbeitslosenquote gesenkt und Frankreich erfolgreich durch Krisen gesteuert. Aber er hat es beim Regieren versäumt, große Teile der Bevölkerung mitzunehmen. Besonders in der Peripherie und den ärmeren Gegenden des Landes fühlen sich viele schlicht vergessen von der Staatsführung in Paris. Le Pen findet dort seit Jahren ihren Nährboden. Gegen dieses Gefühl des Abgehängtseins vorzugehen und die Franzosen mit ihrer politischen Klasse zu versöhnen, wird Macron vor eine kolossale Aufgabe stellen. Ob ihm gelingt, worin er in seiner ersten Amtszeit versagt hat, ist alles andere als sicher. Dennoch muss er es mit aller Kraft versuchen."

La Repubblica – Rom

"Der Sieg von Emmanuel Macron bei den Präsidentschaftswahlen ist gesund für Frankreich, aber noch mehr für die Europäische Union. Stellen wir uns mit einem Schaudern vor der nun abgewendeten Gefahr vor, wie es um Europa in dieser dramatischen Kriegslage gestanden wäre, wenn der Élysée von einer putinfreundlichen Person besetzt gewesen wäre, die sogar Schuldnerin beim Kreml für alte Finanzierungen ist und sich eine Rückkehr zum Europa der Nationen erhofft. Kurz gesagt, eine Abtrünnige in Bezug auf das Glaubensbekenntnis der (EU-)Gründerväter, das durch die Erweiterungen und den Brexit vielleicht etwas verwässert wurde, aber in diesen trüben und freudlosen Zeiten ein Leitstern bleibt, an den man sich klammert.

Denn was Europa in diesem Moment dringend braucht, ist eine Führung, die fähig ist, es auf einem gemeinsamen politisch-militärischen Nenner zusammenzuhalten, der nicht nur jener von den Vereinigten Staaten vorgegebene ist, sondern der – mit Blick auf einen sich entfernenden Frieden und einen Krieg, der sich auf Monate, wenn nicht sogar Jahre, zu verlängern droht und immer mehr zu einer Spirale des Schreckens ohne Ende wird – eine eigene Identität in seinen Visionen und Vorschlägen hat. Diese Führung kann jetzt nur das Frankreich von Macron übernehmen."

Wall Street Journal – New York

"Frankreich wird angesichts seiner Art des gaullistischen Nationalismus immer ein anstrengender Nato-Verbündeter sein. (...) Aber (Macron) gebührt das Verdienst, die Welt vor Le Pen gerettet zu haben. Die langjährige Putin-Verfechterin will Frankreich aus der Nato-Kommandostruktur abziehen. Obwohl sie den Angriff auf die Ukraine verurteilt hat, ruft Le Pen bereits dazu auf, Moskau entgegenzukommen, selbst während es ukrainische Städte in Schutt und Asche zerbombt.

Macrons zahlreiche Annäherungsversuche an (Russlands Präsident) Wladimir Putin vor und nach der Invasion sind ebenfalls gescheitert. Es ist nicht klar, ob er irgendwelche Lehren daraus gezogen hat. Er geht zwar als einer der erfahrensten Politiker der Europäischen Union in seine zweite Amtszeit, aber ein Großteil des Bündnisses misstraut ihm und wird sich nicht hinter eine französische Agenda scharen, die die Abgabe von mehr Souveränität an Brüssel beinhaltet."

Times – London

"Diese Wahlen werden nun entscheidend dafür sein, ob Macron ein echtes Mandat für die Umsetzung seiner Politik mithilfe der Gesetzgebung erhält. Sie werden ein wichtiges Schlachtfeld für die Linke sein, die zwar nicht die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen erreichte, aber immer noch über eine breite Unterstützung von Gewerkschaften, Lehrern und Staatsbediensteten sowie jungen Wählern verfügt, die von der kompromisslosen, wenn auch unrealistischen Politik von Jean-Luc Mélenchon angezogen werden – dem alternden Bannerträger der extremen Linken. Macron braucht eine Mehrheit für seine Partei La République en Marche, die kaum eine ideologische Haltung verkörpert, außer einer vagen Verbundenheit mit ihm durch eine Politik der Mitte. Andernfalls wird er in eine unangenehme 'Kohabitation' gezwungen und damit auf Absprachen mit der Linken oder mit den gaullistischen Republikanern angewiesen sein, um sein Programm durchzusetzen."

Kommersant – Moskau

"In Frankreich wurde die Möglichkeit einer russischen Einmischung in die Wahlen ernsthaft diskutiert. (...) Sie lief aber nicht so wie erwartet, sondern schlimmer. Die 'militärische Spezial-Operation' gegen die Ukraine und die von unserem Land vorgebrachten Drohungen gegen die Nato haben jeden Politiker, der auch nur ansatzweise etwas zugunsten Russlands oder seines Präsidenten gesagt hat, zu einem 'Lakaien des Kreml' gemacht. Das traf (...) natürlich auch Marine Le Pen. (...)

Für Probleme hat Macron geschickt Moskau, das Kampfhandlungen in der Ukraine führt, die Schuld gegeben. Auch die Raketenangriffe auf Ziele in Odessa am Tag vor der Wahl und eine emotionale Pressekonferenz des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj haben das Blatt nicht zugunsten Russlands und seiner potenziellen Anhänger in Frankreich gewendet. Also hatten diejenigen recht, die schon früh meinten, dass die 'russischen Panzer' Emmanuel Macron in den (Élysée-)Palast bringen könnten."

Le Figaro – Paris

"Scheinbar ist es eine Krönung. Mit 44 Jahren hält Emmanuel Macron triumphal Einzug in den sehr exklusiven Klub der Präsidenten der Fünften Republik, die für eine zweite Amtszeit gewählt wurden. (...) Diese Leistung ist nicht klein, und auf einen Laien mag sie gar unglaublich wirken: (Die Rechtspopulistin) Marine Le Pen klar geschlagen, die Sozialisten in Trümmern, die Konservativen zerfetzt. (Der Linke) Jean-Luc Mélenchon, der nur mit Mühe seine Wut verbergen kann, (der extrem Rechte) Éric Zemmour mit seiner Enttäuschung. Es ist schwer vorstellbar, wie Macron der Sieg bei den anstehenden Parlamentswahlen noch entgehen könnte. Er scheint alle Karten in der Hand zu halten. (...)

So ist zumindest der Anschein – von dem doch jeder weiß, dass er nur einen entfernten Bezug zur Realität hat. Denn in Wahrheit steht die Marmorstatue auf tönernen Füßen. Und Emmanuel Macron, der sich schon am Wahlabend betont bescheiden gab, weiß das gut. (...) Er ist von keinerlei Enthusiasmus im Volk getragen. Er kann sich keiner großen Anhängerschaft rühmen – weder für sein Projekt noch für ihn als Person. Im Gegenteil: Er, der Verführer, der es so sehr liebt, zu gefallen und gemocht zu werden, ist für weite Teile der Öffentlichkeit eine Zielscheibe von Feindseligkeit und teils auch Hass."