"Jeder Mensch auf der Welt würde den rechten Arm dafür geben, Marilyn Monroe sein zu dürfen", heißt es in "Blonde", Andrew Dominiks Biopic über Norma Jeane Baker/Marilyn Monroe, an einer Stelle. Dass das ein denkbar schlechter Tausch gewesen wäre, ist mit allen Kenntnissen über ihr nur 36 Jahre kurzes, tragisches Leben ohnehin schon lange klar. Auch die 160 Minuten der Netflix-Produktion mit Ana de Armas in der Hauptrolle und Adrien Brody als Arthur Miller dürften da niemanden umstimmen. "Ich bin die Sklavin von Marilyn Monroe", sagt Norma Jeane darin über ihre öffentliche Erfolgsfigur, die Sexbombe und Filmikone, die ihr seltsam fremd ist und in der sie sich selbst nicht sieht.

Ein Küsschen für die Fans
Ein Küsschen für die Fans © AP

Dabei bewegt sich ihr Leben im Film, der auf Joyce Carol Oates fiktionalisiertem Roman gleichen Titels basiert, gleichzeitig in entgegengesetzte Richtungen. Während die Karrierestufen für Marilyn in schwindelerregende Höhen führen, stürzt Norma Jeane immer tiefer ab. Da ist die ungestillte Sehnsucht nach Liebe, Halt und ihrem Vater, der in ihrer unglücklichen Kindheit mit der psychisch kranken Mutter nicht da war. Dazu kommen eine Abtreibung und eine Fehlgeburt. Immer wieder wird sie enttäuscht und von einflussreichen Männern sexuell benutzt. Statt den Mythos ganz konventionell in einer polierten, nostalgischen Leinwand-Biografie zu würdigen, verdichtet Regisseur Andrew Dominik die Lebensschlaglichter so zu einer mitunter beklemmenden Star-Tragödie und zum schmerzvollen Psychogramm.    

Im letzten Drittel mag das alles zu viel werden, dann bekommt "Blonde" die Züge eines Leidenspornos: mit all den Tränen, Tiefschlägen und Traumata, während Norma Jeane tabletten- und alkoholbetäubt ihrem Ende 1962 entgegen taumelt. Dennoch ist Regisseur Dominic ein außergewöhnliches Biopic gelungen, ein über weite Strecken starkes Werk, das er als eindringlichen Bilderfluss in Farbe und Schwarzweiß mit äußerster Kunstfertigkeit in Szene gesetzt hat. Einen großen Anteil daran hat Hauptdarstellerin de Armas, die zuletzt in "The Gray Man" und als Bond-Girl in "Keine Zeit zu sterben" zu sehen war. Sie füllt diese enorm schwierige Rolle mit unterschiedlichsten Facetten. Sie strahlt Monroes naiven Charme aus, ist dabei sexy und glamourös, hilflos und fragil.