Im Gottfried-von-Einem-Saal des Congress Centers Villach steht ein Boxring. Platziert in der Mitte des Saals, krass im Widerspruch zum eleganten Ambiente des Veranstaltungsraums. Das Boxcoaching ist längst im Gange. René Schmid, der Coach mit dem Schweizer Zungenschlag, steht neben einem Flip-Chart und erläutert den Teilnehmenden die Theorie des Boxens. Gekleidet in professionellen Dressen, ausgestattet mit Boxhandschuhen, sitzen sie im Halbkreis um ihren Coach.
Und dann, unerwartet, bittet Schmid einen Teilnehmer zu sich. Fordert ihn auf, ihn zu schlagen. Er schlägt, leicht. „Kannst du das auch stärker?“, fragt der Coach, der mit allen hier per du ist. Der Mann schlägt etwas stärker. Schmid führt am Teilnehmer aus, wie es richtig geht und jetzt dürfte allen Teilnehmenden bewusstwerden, was noch auf sie zukommt. „Einstecken, Wegstecken“, hat der Coach zuvor seine Teilnehmenden eingeschworen. Weitermachen, nicht Nachtragen, stärke die Verantwortungsübernahme.
Das Sitzen hat ein Ende, die Sessel werden an die Wand geräumt. So kommt Bewegung in die Gruppe. Sie lernen die Abläufe der wichtigsten Schläge. Aufgereiht wie Profiboxer stehen sie da und führen die Schläge aus. Schmid schreitet die Reihe ab, prüft, verbessert, erklärt und lobt. Anschließend folgen zwei Minuten Schattenboxen. Genauso lang werden sie danach einzeln im Ring gegen ihn antreten. Schmid bandagiert seine Hände, weist die Gruppe an, stets in Bewegung zu bleiben. Nochmals zwei Minuten Schattenboxen.
Die ersten beiden Teilnehmer betreten nacheinander den Ring. Sie geben ihr Bestes. Und Schmid steckt die Schläge ein und weg. Wie er das schafft, bleibt ein Rätsel. Seiner guten Laune können die Schläge nichts anhaben. Seiner Herzlichkeit auch nicht. Die Analyse seiner Beobachtungen über den Antritt gegen ihn im Ring teilt er respektvoll mit den Teilnehmenden. Dann wagt sich Daniel Ladinig aus Wien in den Ring. Der Hochgewachsene überragt Schmid deutlich. Er tänzelt mit einer scheinbaren Leichtigkeit durch den Ring. Verlässt sich auf seinen langen Haken. Schmid beeindruckt er damit nicht. Dieser drängt den Mittdreißiger in eine Ecke und schlägt zu.
Lange zwei Minuten
Ladinig hängt über dem Seil. „Einstecken, wegstecken“, ruft der Coach. Ladinig rappelt sich wieder in den Ring zurück und schlägt zu. „Ja“, lobt ihn Schmid. Die zwei Minuten Kampfzeit sind sichtbar lang für Ladinig. Er keucht, schwitzt und steckt den nächsten Schlag ein und weg. Bei Schmid fließt jetzt ebenfalls der Schweiß in Strömen. Die beiden Männer umarmen sich, der fast doppelt so alte Coach wirkt dabei noch immer fit. „Ich habe in diesem Kampf gelernt, dass man sein Gegenüber niemals unterschätzen darf, auch wenn er vielleicht kleiner ist und nicht so stark aussieht“, bilanziert Ladinig schmunzelnd. Dann ergänzt der 34-Jährige noch: „Und noch viel wichtiger: Halte bis zum Schluss durch“, sagt er.

Die 66-jährige Sonja Gally aus Laab im Walde in Niederösterreich zieht ein ähnliches Fazit. „Es ist eine unorthodoxe Art, einer Führungskraft zu zeigen, wo Defizite sind“, sagt die Filialleiterin. Klaus Koban aus Wien wollte, dass sich seine engsten Führungskräfte selbst kennenlernen. „Bei diesem Seminar habe ich erlebt, wie unmittelbar Schmid auf die einzelnen Personen eingeht“, sagt der Chef des am Coaching teilnehmenden Unternehmens.
Befreiend
Nach der ersten Runde steigt Schmid aus dem Ring. „Boxen wirkt befreiend“, sagt er. Das wirke sich auch günstig auf emotionale Bindungen aus. Glaubt er an sich selbst? „Ja, ich glaube an mich selbst“. Wie gelingt ihm das? „Ich sage zu mir selbst ja und nehme mir keine Maske vor das Gesicht, die das wahre innere Gesicht verdeckt“. Der 59-Jährige stellt mit seinen schwarz bandagierten Händen die Maskierung nach. Zwischen den Fingern blitzen die Augen auf. Er reicht noch die Hand zum Abschied, dann kehrt er in den Ring zurück.