Als neuestes Mitglied im Klub der tanzenden Politiker und Politikerinnen gilt die finnische Premierministerin Sanna Marin. Videos von einer – wie es scheint – feuchtfröhlichen Partynacht und dazugehörige Drogenvorwürfe geisterten in dieser Woche durch Internet und Presse und sorgten für Aufregung. - Marin will nun, wie die US-Zeitung Politico berichtet, mittels Drogentest Klarheit schaffen. Dass es aber von nahezu jedem ranghohen Politiker Tanz-Aufnahmen gibt – viele davon kamen ohne größeren Eklat aus –, wird in der aktuellen Debatte mitunter vergessen.

Sanna Marin - Finnische Nächte

Aus kultureller Perspektive hat Marin alles richtig gemacht. Sie tanzt zu einer breiten Musik-Palette, von Rap bis Elektronic. Die Einlagen sind spontan, natürlich, abwechslungsreich, aber nie aufgesetzt. Und: Die Songs, die die Politikerin auf die Tanzfläche zogen, stammen direkt aus Finnland.

Fred Sinowatz – "The show must go on"

Bei all der Kritik, die Sanna Marin nach ihrem Tanzvideo ereilt, lohnt sich ein Blick zurück in die Geschichte. Denn bereits vor 36 Jahren ließen sich Altkanzler Franz Vranitzky und Fred Sinowatz von Show-Star Marlene Charell zu einem Tänzchen verführen. Die ÖVP reagierte damals empört. Die Kronen Zeitung titelte: "Showgirl sorgt für Wirbel in unserem müden Wahlkampf".

Boris Johnson - Party trotz Polit-Chaos

Dass der scheidende britische Premier Boris Johnson das Feiern im Blut hat, bewies er bereits im Rahmen der Partygate-Affäre. Eine weitere Kostprobe – stellvertretend für das gesamte politische Phänomen Johnsons – ist auch eine Tanzeinlage des amtierenden Premiers. Über die Bühne ging diese inmitten des britischen Polit-Chaos vor wenigen Wochen. Der Politiker ließ es sich dennoch nicht nehmen, seine Hochzeit zu feiern. Am Parkett gab der Politiker dann einen holprigen Tanz mit seiner Gattin zum Besten. Breitbeinig umgarnt Johnson wie Rumpelstilzchen das Lagerfeuer seine Gattin. Vor allem aber ist die Einlage zutiefst englisch und gleichzeitig irgendwie sympathisch. Denn Johnson tanzte zu Neil Diamonds Hit "Sweet Caroline". Eine Ode an seine Frau Carrie, die natürlich Caroline heißt. Und eine Ode an sein Heimatland England. Bei der Europameisterschaft 2020 etablierte sich der US-Hit aus dem Jahr 1969 zur inoffiziellen Hymne der Fußball-Nationalmannschaft.

Theresa May – Dancing Queen

Ein Evergreen aus der Liste der politischen Tanzeinlagen stammt von der ehemaligen britischen Premierministerin Theresa May. Die Bewegungen der Politikerin wurden zum weltweiten Internetphänomen. May war während einer Parteikonferenz der Torys im Jahr 2018 zu der Musik von Abbas "Dancing Queen" in Roboter-Manier auf die Bühne gewackelt. Doppelt bitter: May ist weder die Königin Englands, noch eine "Dancing Queen".

Dimitri Medwedew – Russlands "American Boy"

Was der ehemalige russische Präsident Dimitri Medwedew mit seiner Tanzeinlage, vor allem aber mit der Songauswahl durch die Blume sagen wollte? Darüber lässt sich nur mutmaßen. 2011 ging ein Video des Politikers viral, in dem dieser zum Song "American Boy" steppte. Ja, steppte. Oder so ähnlich. Sehr Disco, sehr 70er, sehr androgyn, mit Einflüssen aus dem Chicken-Dance. Aber keine Angst, der Song stammte zumindest von einer russischen Pop-Band namens Kombinaciya.

Boris Jelzin – Gangnam Style 1996

Ein weiterer russischer Tanz-Enthusiast war Boris Jelzin. In gewisser Weise nahm der ehemalige Präsident auf einer Wahlkampfveranstaltung im Jahre 1996 bereits einen späteren südkoreanischen Internet-Tanz namens "Gangnam Style" vorweg. Gleichzeitig steht die Einlage Jelzins für sich. Vermutlich sollte die wilde Ziehharmonika-Pantomime die Stärke des Politikers symbolisieren. Das würde auch die Lasso-über-dem-Kopf-Einlage erklären. Jelzin, der Cowboy.

Karin Kneissl – Folklore mit Putin

Mit russischem Einfluss versehen, gleichzeitig aber klassisch österreichisch war die Tanzeinlage der früheren Außenministerin Karin Kneissl während ihrer Hochzeit in der Steiermark. Geladen war da auch ein gewisser Herr Putin. Den Tanz mit dem russischen Kriegspräsidenten samt Kniefall kennen die meisten. Weniger bekannt ist Kneissls Freestyle-Tanz mit einer russischen Folklore-Gruppe am selben Tag. Das Motto könnte ob des befreiten Tanzes "Ohne Rücksicht auf Verluste" gelautet haben.

Emmanuel Macron – Bemühter Tanzmuffel

Zwar nicht aus der Seele tanzend, sehr wohl aber mit seinem fehlenden Engagement vielen aus der Seele sprechend, trat der französische Präsident Emmanuel Macron vor einigen Jahren bei einem Konzert in Nigeria auf. Der Afrobeat-Musiker Femi Kuti holte den Politiker – augenscheinlich ohne ihn im Vorfeld vorgewarnt zu haben – auf die Bühne. Macron reagierte wie viele Tanzmuffel. Klatschend, bemüht lächelnd, aber bar jedes Rhythmus-Gefühls.

Mark Rutte – Medizinball-Schwung

Ebenfalls fehl am Platz scheint Mark Rutte, Ministerpräsident der Niederlande, bei einem politischen Besuch gewesen zu sein. Ob seine Bewegungen Teil einer Turnübung mit Medizinball (auffälliges Ausschwingen der Arme) oder doch eine Art Tanz sind, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen.

Justin Trudeau – Medienwirksam traditionell

Deutlich mehr Gefühl bewies da der kanadische Premier Justin Trudeau, der sich während einer Indien-Reise am traditionellen Bhangra-Tanz versuchte. Natürlich medienwirksam. Nicht wenige kritisierten Trudeau aber auch für seine allzu überschwängliche und klischeebehaftete Annäherung an das zweitbevölkerungsreichste Land der Welt.

Donald Trump – Der Säbelrassler

In die Riege der Rhythmuslosen reiht sich auch der ehemalige US-Präsident Donald Trump an. Auch wenn das Säbelrasseln in der Weltpolitik leider allzu oft anzutreffen ist, Säbeltänze sind es nicht. Es sei denn, man besucht Saudi-Arabien. Dann kann es schon vorkommen, dass man sich inmitten einer Säbeltanz-Zeremonie wiederfindet. Trumps Verwirrung ist augenscheinlich. Sein fehlendes Taktgefühl (nicht nur am Tanzparkett) ebenso. Am Ende der Zeremonie folgt dann die verbale Schadensbegrenzung: "Beautiful, beautiful". Was genau jetzt?

Friedrich Merz – Disco-Fever

Am Puls der Zeit mit seinen minimalistisch-futuristischen Bewegungen präsentierte sich der CDU-Chef Friedrich Merz am parteiinternen Sommerfest im Juni. Selbstsicher postete der Politiker eine Aufnahme seiner Disco-Erfahrung sogar auf seinem eigenen Instagram-Account. Getanzt wurde zu Penny McLeans "Lady Bump". Die Reaktionen fielen unterschiedlich aus. "Oh, einer aus der Blue Man Group inner Disco", twitterte ein Nutzer. Ein weiterer lobte Merz für seine Textsicherheit: "Lyrics hat er drauf." Eine Kostprobe aus den kritischeren Kommentaren: "Niemand kann den 'Stock im Arsch' besser tanzen als Friedrich Merz".