"Der beste Schutz für Österreich ist ein Beitritt zur Nato", sagte der frühere Kommandant der Streitkräfte, Günter Höfler, wenige Tage nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine zur Kleinen Zeitung. Drei Monate später forderte er nun gegenüber der APA eine "ehrliche und ernsthafte Debatte über die österreichische Sicherheitspolitik". Man könne sich dieser Debatte nicht einfach entziehen und gar nichts machen. "Es braucht diese Diskussion. Die Bevölkerung muss über die Vor- und Nachteile der Neutralität genauso wie über die Vor- und Nachteile eines Nato-Beitritts informiert werden. Der Ausgang der Debatte ist offen, es kann am Ende die Neutralität beibehalten werden, ein Nato-Beitritt oder eine Allianzfreiheit stehen."

Schon im März war er im Interview mit der Kleinen Zeitung überzeugt, dass ein Nato-Beitritt trotz der aktuell hohen Ablehnung in der Bevölkerung Akzeptanz finden könnte: "Wenn die Politik sich ideologiefrei damit auseinandersetzt, was der beste Schutz für Österreich ist und das der Bevölkerung auch erklärt, dann bin ich davon überzeugt, dass sie es mitträgt. Ich sage auch: Wenn wir jetzt nicht die Lehren aus der Krise ziehen, so wie alle anderen Länder in Europa, dann ist uns nicht mehr zu helfen."

Mit dem Beitrittsansuchen von Finnland und Schweden werde Österreich künftig von den wesentlichen sicherheitspolitischen Entscheidungen in Europa ausgeschlossen sein. 27 von 23 EU-Staaten werden künftig Nato-Mitglieder sein. "Natürlich sind wir weitgehend isoliert. Der Kern der europäischen Sicherheitspolitik wird in der Nato gestaltet. Österreich muss sich die Frage stellen, ob es am Tisch sitzen und mitentscheiden oder von draußen zuschauen will."

EU-Armee "kein Thema"

Eine europäische Armee, die auch immer wieder angesprochen wird, sei auf EU-Ebene absolut kein Thema. "Ich war zuletzt Leiter der österreichischen Militärvertretung in Brüssel und kann sagen: Darüber redet dort kein Mensch." Das werde nur in Österreich diskutiert. Es werden auf EU-Ebene keine Parallelstrukturen aufgebaut werden, das sei eine Illusion. Die österreichische Politik sei gefordert, die Bevölkerung ehrlich und ernsthaft zu informieren und nicht im Unklaren zu lassen. "Man muss den Menschen auch sagen, was die Nato wirklich ist, was die Vor- und Nachteile einer Mitgliedschaft sind. Dann kann man eine Entscheidung treffen", so Höfler.

Die Finnen und die Schweden hätten genau das gemacht. "Sie haben sich das gut überlegt und die Situation analysiert. Und sie haben für sich beschlossen, dass sie am besten geschützt sind, wenn sie Teil der Nato sind. Die Österreicher wollen das nicht gerne hören, aber der große Vorteil der Nato ist der nukleare Schirm. Den haben die Amerikaner. Nur die Amerikaner können Russland nuklear etwas entgegensetzen. Ohne diesen Schirm der USA sind wir in Europa atomar erpressbar und schutzlos", spricht Höfler Klartext.

Verärgert zeigt sich der General i.R. mit dem Verhalten der österreichischen Politik. "Früher habe ich gesagt, dass wir einen schlampigen Umgang mit unserer Sicherheitspolitik haben. Heute muss ich sagen: Wir haben einen fahrlässigen Umgang mit unserer Sicherheitspolitik."

"Die Politik muss führen"

"Die sicherheitspolitische Lage in Europa hat sich völlig verändert. Man kann angesichts der aktuellen Entwicklung die Diskussion nicht einfach abdrehen. Eine verantwortungsvolle Politik würde partei- und ideologiefrei eine Analyse vornehmen, die Ergebnisse transparent, klar und ehrlich der Bevölkerung kommunizieren und zu einer Entscheidung kommen", so Höfler, der glaubt, dass die Österreicherinnen und Österreicher für Veränderungen durchaus empfänglich wären, wenn sie ehrlich und transparent informiert werden würden.

"Es braucht Leadership. Die Politik muss führen. Das heißt, nicht das zu tun, was alle am liebsten hätten, damit es keinen Wirbel gibt, sondern das tun, was für das Land das Beste ist", so Höfler. Sicherheitspolitik sei zu komplex, um sie nach irgendwelchen Umfragen auszurichten. So sei die Neutralität Österreichs seit dem EU-Beitritt des Landes in vielen Bereichen ausgehöhlt. Die Menschen seien darüber aber nicht informiert worden, was das bedeute. Österreich sei etwa verpflichtet, anderen EU-Staaten im Krisenfall beizustehen. "Wenn wir uns auf die anderen verlassen, müssen wir auch selbst in der Lage sein zu helfen. Es stellt sich die Frage, ob wir dazu überhaupt fähig sein wollen, ob ich mich sicherheitspolitisch selbst ernst nehme, ernst genommen werden möchte, oder durchschlängeln will."