Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, hat bei einem Besuch der Atomruine Tschernobyl in der Ukraine die vorübergehende Übernahme der Anlage durch russische Streitkräfte als "sehr, sehr gefährlich" bezeichnet. "Es gab einige Momente, in denen die Werte aufgrund der Bewegung der schweren Waffen, die die russischen Streitkräfte hierher brachten, gestiegen sind", sagte Grossi vor Ort am Dienstag, dem 36. Jahrestag der Atomkatastrophe.

Zudem seien die Werte verändert gewesen, als die Truppen wieder abzogen. Nun seien die Strahlungswerte aber wieder "normal".

Im Atomkraftwerk Tschernobyl hatte sich 1986 das schlimmste Atomunglück der Geschichte ereignet. Das Kraftwerk ist seither stillgelegt, ein riesiger Schutzmantel soll den Austritt von Radioaktivität verhindern.

Die russischen Streitkräfte hatten am 24. Februar, dem ersten Tag ihres Angriffs auf die Ukraine, die Kontrolle über die Atomruine übernommen. Ende März zogen sie sich von dem Gelände wieder zurück. Grossi war angesichts der durch den russischen Angriffskrieg ausgelösten Sorgen um die Sicherheit der ukrainischen Reaktoren bereits Ende März in die Ukraine gereist.

Russische Soldaten stahlen radioaktives Material

Während ihrer Besetzung haben russische Soldaten nach ukrainischen Angaben auch radioaktive Substanzen aus Forschungslaboren gestohlen. 133 hoch radioaktive Substanzen seien entwendet worden, teilte die für die Verwaltung der Sperrzone rund um das AKW zuständige Behörde am Sonntag mit. Selbst ein kleiner Teil davon sei tödlich, "wenn er unprofessionell gehandhabt wird".

Nach Angaben des ukrainischen Energieministers Herman Hluschtschenko setzten sich die russischen Soldaten dort außerdem einer "schockierenden" Menge an radioaktiver Strahlung aus. Manche von ihnen hätten vielleicht nur noch weniger als ein Jahr zu leben, so der Minister. "Sie gruben in radioaktiv verseuchtem Boden, sammelten radioaktiven Sand in Säcken zur Befestigung von Stellungen und atmeten diesen Staub ein."