Wendelin Pressls Sohn Kaspar begann eines Tages Lineale mit Bleistift auf Papier zu zeichnen. Freihändig naturgemäß und so wie Lineale eben aussehen. Der Vater stellt sein Konzept von Präzision gegenüber: Vor dunklem Hintergrund, der an ein Bild des Weltalls erinnert, sind zwei aneinander liegende Geodreiecke angebracht, womit seine Arbeit zur „Parallelverschiebung“ wird und die Vater-Sohn-Kooperation nun unter dem Titel „Maßstäbe“ besteht. Nachdem Kaspar zunächst an der Sinnhaftigkeit zweifelte, seine Werke in einer Galerie zu präsentieren, wurde der junge Künstler mit Fruchteis honoriert.
Schon vor einigen Jahren fiel der Kuratorin Astrid Kury auf, dass Kinder als Akteure in der zeitgenössischen Kunst eine bestenfalls marginale Rolle spielen, während deren vergleichsweise unbedarfte Zugänge im Erfahren der Welt doch auch durch künstlerische Arbeit für mehr oder weniger Erwachsene anschaulich gemacht werden könnten. Und es fanden sich sechs Künstlerinnen und Künstler, die sich gemeinsam mit ihren Vorschulkindern auf das Experiment einließen.
Roswitha Weingrill und ihre Kinder Amon und Karl sammeln Materialien aus der Natur oder von Baustellen. Sie finden Steine, Sand oder Lehm und daraus wurden kleine, buchförmige Objekte geknetet und im Mikrowellenofen gebrannt. Einige der Buchseiten hat Amon mit seinen abstrakten Mustern bemalt und eine Installation wurde eingerichtet. Auf Audiotracks erzählen Amon und Karl von geschmückten Häusern, von Wolkenkratzern in der Sandgrube und von Schätzen, die sie auf Baustellen finden.
Eine weitere Audioinstallation heißt „PENG Sprachexplosion“. „Sprachexplosion“ bezeichnet ein Phänomen, nach dem Kinder etwa im Alter von zwei Jahren plötzlich und täglich etliche neue Wörter aussprechen. Die Autorin Anna Katharina Laggner beobachtete ihre Kinder Jonas, Mara und Aurora und nahm eine Hördokumentation auf. Ziemlich bücken müssen sich Erwachsene dagegen, um im zentralen Kleinkino der Ausstellung ein Video zu sehen, auf dem Katharina Swobodas Tochter Konstantina in einem Regen von Flitter tanzt. Bei Kindern nach wie vor begehrt, wurde der Vertrieb des glitzernden Kunststoffs seitens der EU inzwischen verboten. Eine „Glitter“-Reminiszenz an einen wahren Kindertraum.
Kleine Welten. Bis 25. Oktober, Akademie Graz, Neutorgasse 42. akademie-graz.at
Wenzel Mracek