Marrakesch im Spätherbst – eine eigentlich perfekte Zeit. Die Temperaturen sind moderat, abends lässt es sich auf dem Platz der Gaukler noch ohne Pullover flanieren. Das maurische Juwel am Fuße des Atlas ist als Hotspot gerade schwer angesagt, die flirrende Metropole ist ein Fest der Sinne, läuft aber gerade auch Gefahr, sich zu einer Touristenfalle zu entwickeln. Hinter dicken Mauern verbirgt sich der pure Luxus, an jeder Ecke wird gegraben und gebaut. Gerade ist der König in der Stadt, Mohammed dem VI. zu Ehren steigt eine Flugstaffel auf und malt weiße Ringe in den blitzblauen Himmel.

Wir haben Marrakesch Richtung Südosten verlassen und nehmen über das Ourika-Tal Kurs auf das Atlas-Gebirge, das sich über 2500 Kilometer von Marokko über Algerien bis Tunesien erstreckt. Hier soll das neue edle Flaggschiff von Volkswagen seinem Namen alle Ehre machen und unter Beweis stellen, dass es in der dritten Auflage zu keinem SUV-Softie verkommen ist, sondern auch abseits von befestigten Straßen unverändert hemdsärmelig und wüstentauglich sein kann. Und das auch ganz ohne Zutaten wie Untersetzungsgetriebe und mechanische Differenzialsperren, die im Vorgänger zumindest noch angeboten wurden.

Vorbei an André Hellers Paradiesgarten Anima geht es langsam über brüchigen und buckeligen Asphalt hinauf in das auf 2700 Meter Höhe gelegene und noch schneefreie Skigebiet Oukaimeden. Der Weg dorthin ist für den mit allen wesentlichen Technik-Features ausgestatteten Zweitonner (Luftfahrwerk mit Allradlenkung, Offroad-Paket mit fünf Fahrmodi und Unterfahrschutz) mehr oder weniger ein Kinderspiel, inklusive einiger inszenierter Geröllhalden auf der Alm, die der Allradler dank der variablen Kraftverteilung trittsicher hochkriecht. Danach aber, mit Blick auf den mächtigen Jbel Toubkal, den höchsten Gipfel im Hohen Atlas (4167 m), ist Schluss mit lustig.

Beim Abstieg auf der Rückseite der marokkanischen Ski-Station in das Dörfchen Asni, wo Sir Richard Branson ein feudales Resort-Hotel erbauen ließ (Kasbah Tamadot), wird es ungemütlich. Entlang von angsteinflößenden Abgründen und ohne Leitplanken geht es talwärts auf brutalen Eselspfaden, die gerade einmal einen Hauch breiter sind als der Touareg. Spätestens jetzt weiß man, dass sich in diesem Fall das elektronische Luftfahrwerk, das eine Erhöhung des normalen Fahrwerks um bis zu 43 Millimeter möglich macht, rechnet. Wir sind auf der zweithöchsten Stufe unterwegs, die über den Fahrmodi ,,Sand“ aufgerufene adaptive Bergabfahrkontrolle lernt man schnell zu schätzen, weil sie auf den jeweiligen Gas- und Bremspedaleinsatz reagiert und automatisch die erreichte Geschwindigkeit hält. Ab und zu klopft ein Felsbrocken an den Unterboden – kein Problem.

Als größte Überraschung erweist sich allerdings die Allradlenkung, die dem Fünf-Meter-Schiff in den Serpentinen und den extrem engen Haarnadelkurven nahezu die Wendigkeit eines Golfs verleiht (11,2 m!), Wir sind unten, machen einen Schlenker zum Flüsschen Qued Badja Djdid, die Wattiefe (58 cm) reicht. Fazit: Auch der neue Touareg kann Offroad. Mehr als man braucht, würde ich sagen.

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