Der eifrige Schreiber gab sich redlich Mühe. Aufwendig errechnete er im Rahmen eines Tests den genauen Unterschied, den man sich pro getanktem Liter erspart. Wie viel des hart verdienten Geldes der getestete Wagen mit Dieselmotor auf 100 Kilometern verschluckt und um wie viel teurer die gleiche Strecke mit einem vergleichbaren Benziner wäre. Und er kommt zu dem Schluss: Wenn man die jeweils gesparte Summe in ein Sparschwein stecken würde, dann wäre der Mehrpreis für den Selbstzünder erst nach 90.000 Kilometern eingespart. So viel also zu dem Thema, mit einem Turbodiesel ist man sparsam unterwegs. Dessen Anschaffungspreis liegt auf einem deutlich höheren Niveau – und diese Differenz muss man erst einmal wieder hereinfahren.

Teure Abgasnachbehandlungssysteme machen den Diesel für kleine Fahrzeugklassen immer unattraktiver. Sehr sauber, aber noch zu teuer: synthetisch hergestellter und klimaneutraler Kraftstoff
Teure Abgasnachbehandlungssysteme machen den Diesel für kleine Fahrzeugklassen immer unattraktiver. Sehr sauber, aber noch zu teuer: synthetisch hergestellter und klimaneutraler Kraftstoff © VW

Wir lernen: Ein Diesel ist primär für Vielfahrer interessant. Was wirklich keine bahnbrechende Erkenntnis ist. Und dennoch ist diese Geschichte besonders interessant, denn sie wurde vor mittlerweile 40 Jahren geschrieben. Und das Auto, um das es sich drehte, war ein VW Golf GLD mit strammen 50 PS. Dem ersten schnell laufenden, selbstzündenden Verbrennungsmotor, der für Privatkunden wirklich interessant war. An dieser Kosten-Nutzen-Schere hat sich bis heute nichts geändert, was natürlich noch mehr die Frage aufwirft, warum diese Antriebsform so populär werden konnte. Obwohl sie nur die Wenigsten wirklich brauchen. Und sie zudem weder leise noch wohlklingend arbeitet, teurere Betriebsmittel benötigt und auch noch sehr komplex aufgebaut ist. Worin liegt also das Geheimnis hinter dem unglaublichen Erfolg des nagelnden „Schüttelhubers"? „Ein Dieselmotor wird immer sparsamer bleiben, weil er einfach einen höheren Wirkungsgrad hat", sagt Professor Helmut Eichls­eder, Leiter des Instituts für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik an der TU Graz. „Der Diesel kann ­höher verdichten, da er als Selbstzünder keine Klopfgrenze hat, und zudem kann er mit ­einem magereren Gemisch ­betrieben werden. Von Aus­nahmen ab­gesehen, werden diese Punkte dem Ottomotor immer ­verwehrt bleiben."

Doch gerade mit dem mageren Gemisch fangen die Probleme auch schon an. „Ein Benziner hat einen Drei-Wege-Katalysator, der alle gasförmigen Schadstoffe im Abgas bearbeiten kann. Dieser Prozess funktioniert nur bei optimalem Luft-Benzin-Verhältnis von 14,7:1. Beim Diesel ist die Abgasnachbehandlung aufgrund des Magerbetriebs wesentlich komplizierter, vor allem, was die Stickoxide betrifft", erklärt Eichlseder. Die Umwandlung ist ein komplexer chemischer Prozess. Und ist die Luft-Sprit-Mixtur zu mager, werden wichtige Reduktionsmittel schon zu früh oxidiert. „Wie zum Beispiel soll man Stickstoffmoleküle aus Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid trennen, wenn man ohnehin schon einen Sauerstoffüberschuss hat?"

Kein Wunder, dass der Diesel in die Kritik geraten ist. Lange als Allheilmittel für unser Klima angepriesen, mutierte er vom Verbrauchswunder zum Umweltverpester. Doch der entscheidende Faktor in der Dieselgleichung ist derzeit ein völlig anderer: ruhig Blut. „Mehr Sachlichkeit und eine faktenbasierte Diskussion würden der Sache gut tun", meint Eichlseder zur derzeit aufgeheizten Debatte um Fahrverbote und Rückruf­aktionen. „Von den Rohemissionen her ist der Diesel abgesehen von den Partikeln besser als der Ottomotor. Den großen Aufwand der Abgasnachbehandlung hat man technisch einfach noch nicht so gut beherrscht. Aber neue Motoren sind im realen Emissionsverhalten mit Benzinern vom Niveau her gleichwertig. Sie haben momentan sogar die Nase vorne, was den Partikelausstoß anlangt. Einfach weil erst sehr wenige Ottomotoren einen Partikelfilter verbaut haben."

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Entsprechend interessant auch die Ergebnisse zum Thema Fahrverbote: Der Diesel ist nicht so böse, wie er gerade dargestellt wird, aber auch alles andere als unschuldig: „Zu diesem Thema gibt es bei uns am Institut natürlich einige Aktivitäten. Was das Thema Feinstaub betrifft, würden wir in Graz mit Fahrverboten praktisch nichts bewegen. Außer, wenn man die ganz alten Dieselfahrzeuge ohne Partikelfilter, die kaum mehr relevant sind, weil es nicht mehr viele davon gibt, aussperrt. Nur stellt sich dann die Frage, mit welchen Bussen welchen Emissionsniveaus wir den öffentlichen Verkehr bestreiten. Womöglich würde sich in Summe dann nämlich nichts verbessern."

Anders das Szenario bei den Stickoxiden: „Da kommen vom Diesel wesentliche Beiträge. Aber auch hier sind moderne Fahrzeuge, die die Euro-6d-­Abgasnorm erfüllen, mit ­Benzinern absolut vergleichbar, was die Emissionen betrifft."

Hat der Selbstzünder nach all den letzten Skandalen und Affären also noch eine Chance? Er muss sogar eine Zukunft haben, denn der Flottenverbrauch der Autohersteller darf ab 2020 im Schnitt 95 Gramm CO2 pro Kilometer nicht überschreiten. Kann man dieses Ziel ohne Diesel­motoren überhaupt erreichen? „Ich glaube nicht, dass das geht", meint Eichlseder. „Natürlich kann man über Elektroautos etwas kompensieren, aber die muss erst einmal jemand kaufen. Es ist also eine Frage des Marktanteils und jetzt geht sich das noch nicht aus. Die Ziele werden in absehbarer Zeit ohne Diesel also nicht einzuhalten sein. Und das ist erst der Anfang notwendiger, sündteurer Entwicklungen: „Die Harnstoffeinspritzung ist definitiv eine Maßnahme, die bleiben wird. Aber sehr viel helfen wird in Zukunft vor allem die Elektrifizierung. Diese 48-Volt-Bordnetze unterstützen den Verbrennungs­motor über den Starter­generator in Betriebsbereichen, wo die Emissionen besonders hoch sind. Und auch den Turbolader kann man in jenen Drehzahlbereichen unterstützen, wo er noch nicht genügend Ladedruck liefert." Bereits jetzt gibt es Modelle, die das 48-Volt-Netz nutzen, um einen zusätzlichen Turbo elek­trisch anzutreiben. Alles faszinierende Errungenschaften, die aber nur den Neufahrzeugen helfen. Im Gegensatz zu einer Innovation, von der niemand spricht: den synthetisch hergestellten Kraftstoffen.

E-Fuels bergen ein gewaltiges Potenzial: „Sie können auf Basis erneuerbarer Energien hergestellt werden. Und man kann ganz exakt ihre Eigenschaften beeinflussen, ­wodurch die Rohemissionen niedriger sind", erklärt Eichls­eder. Kurz gesagt: Die Tankstellen-Infrastruktur könnte bestehen bleiben und alle umherfahrenden Autos wären mit einem Schlag schadstoff­ärmer – nur aufgrund des reineren E-Fuels. „Man kann diesen Sprit so herstellen, dass sein Einsatz nicht mehr signifikant zur CO2-Produktion beiträgt." Zahlreiche Firmen forschen daran, die Ergebnisse klingen vielversprechend. Doch warum hört man davon bloß so wenig? „Weil E-Fuel derzeit einfach zu teuer wäre. Aus Erdöl gewonnener Sprit ist konkurrenzlos günstig. Würde man Benzin und Diesel synthetisch herstellen, müsste man zumindest doppelt so viel investieren."