Flügellahm? Lehrlinge von Ford konnten das Einzelstück aufwendig restaurieren. Nettes Detail: Der Stempel im Serviceheft ist goldfarben
Flügellahm? Lehrlinge von Ford konnten das Einzelstück aufwendig restaurieren. Nettes Detail: Der Stempel im Serviceheft ist goldfarben © Ford-Werke GmbH, Koeln

Jetzt küssen sie sich auch noch! HA Schult war außer sich, als er von der Dachterrasse des Hyatt-Hotels in Köln beobachtete, wie ein Kran auf dem anderen Rheinufer sein neuestes Kunstwerk behutsam auf den Stapelhausturm herabließ. Eine Perspektive, die dem Provokateur gelegen kam, und die für einen Moment den Eindruck erwecken ließ, sein Flügelauto „küsse“ die Spitzen des Kölner Doms. Aber Moment: Was bitte schön hat der Wagen überhaupt in diesen luftigen Höhen verloren? – Dem Fetisch Auto huldigen. Oder anders gesagt: Im wahrsten Sinne des Wortes den Gipfel eines Kunstprojekts markieren, das eben diesen Namen trägt und von HA Schult maßgeschneidert zum Erscheinungstermin der dritten Generation des Fiesta 1989 in und rund um Köln auf die Bevölkerung losgelassen wurde. Selbst für einen Profi-Provokateur wie Schult, der auch schon den persönlichen Hausmüll von Franz Beckenbauer ausstellte oder den Markusplatz in Venedig mit 15 Tonnen altem Zeitungspapier zudeckte, keine leichte Sache: Einmal tauchte einer dieser Fords im Look eines Ostereis vor dem Dom und den angrenzenden Museen auf. Ein andermal auf dem Rhein im Design einer Welle, bemalt von Trompe-l’oeil-Experte Gerard Gabet und seinen Schülern. Allein 50.000 Euro kostete ein komplett vereister Fiesta, der auf dem Roncalliplatz vor den Augen Tausender Schaulustiger wieder auftauen durfte. Ein zur Disco umgemodeltes Pendant gab sich am Hauptbahnhof die Ehre, ein komplett zerlegtes Exemplar im Atriumhof des Römisch-Germanischen Museums, ja und eben einer mit Flügeln auf dem Dach des Stadtmuseums.

Teil des Kunstobjekts von HA Schult: ein mit Wolken bemaltes Exemplar
Teil des Kunstobjekts von HA Schult: ein mit Wolken bemaltes Exemplar © Wieck (Ford)

Zu diesem Zweck kam eine leere Karosserie, ohne Motor und Innenausstattung zum Zug, erhielt einen güldenen Überzug aus Zink-Chromat und Acrylmetalliclack, Flügel aus GFK, von denen einer allein 800 Kilogramm wiegt, und Eisenbahnschienen mit einem Gesamtgewicht von1,2 Tonnen. Denn auch wenn Schult diesem insgesamt zehn Meter langen und 6,2 Meter breiten Fiesta Flügel verliehen hat, so sollte er doch die gesamte Aktionsdauer sicher auf dem Hausdach verweilen und nicht abheben.

Der Fiesta blieb. Aber nicht nur für drei Tage, sondern für mehr als zwei Jahrzehnte. „Ich bin sicher, das Auto steht auch die nächsten 22 Jahre dort oben“, feixte HA Schult noch nach der Enthüllung, sprachen sich schließlich schon damals die meisten der Stadtväter für eine rasche Entfernung dieses Mahnmals der automobilen Tollerei aus. Doch wie es das Schicksal so wollte, dauerten die Diskussionen darüber so lange an, dass sich die Bevölkerung immer mehr an den ungewohnten Anblick gewöhnte und ihn schließlich nicht mehr missen wollte. Köln hatte ein neues Wahrzeichen. Die Autostadt, die so viel mit Ford verbindet.

Und dennoch blickten zahllose Touristen im November 2012 hoffnungsfroh durch ihre Teleobjektive in einen tristen Himmel, ohne das gefiederte Goldstück sehen zu können, das nun doch plötzlich verschwunden war. Nachdem am Turm diverse Baumängel festgestellt wurden, blieb den Verantwortlichen keine andere Wahl. Doch Ford nutzte die Gelegenheit gleich, den Fiesta gründlich zu sanieren. Auszubildende im Werk in Niehl zerlegten den Kleinwagen in 700 Arbeitsstunden, tauschten Türen, Hauben und Radkappen gegen Neuteile und spendierten dem Kunstwerk, das schon deutlich länger auf der Welt war als sie selbst, eine neue Lackierung. „Als Besonderheit haben wir dieses Mal für das Inspektionsheft einen goldenen Stempel verwendet“, ergänzte der damalige Ford-Deutschland-Chef Bernhard Mattes verschmitzt.

Jetzt thront der goldene Ehrenbürger wieder über den Dächern der Stadt, und zwar gleich doppelt gesichert. Zum einen fest mit dem Turm verankert. Zum anderen über jegliche Diskussionen erhaben, jemals wieder abmontiert zu werden.