F40, F50, Enzo – dass Ferrari zu runden Firmenjubiläen sich mit einem Superlativ auf vier Rädern beschenkt und damit die Herzen der treuesten (und liquidesten) Markenliebhaber himmelhoch jauchzen lässt, ist schon eine liebgewonnene Tradition geworden. Doch heuer geht man das Thema Thema Geburtstag einmal völlig anders an: Der SF90 Stradale ist kein streng limitiertes Sondermodell, das an handverlesene Kunden verteilt wird. Er ist mehr oder weniger ein Serienmodell, aber vollgesteckt mit der modernsten Technik, bei der jedes Super- und Hypercar lange Zähne kriegen würde.

Was erwartet uns also alles? Genug, um manch Traditionalisten in Wallungen zu bringen: Den Anfang macht der aus dem 488 bekannte, gründlichst überarbeitete V8-Biturbo, der in SF90-Konfiguration 780 PS und 800 Newtonmeter Drehmoment liefert. In Kombination mit drei Elektromotoren – einer jeweils an einem Vorderrad, einer in der aus der Formel 1 bekannten MGUK-Einheit (Motor Generator Unit, Kinetic), die sich zwischen Motor und Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe befindet – kommtn glatte 1000 PS zustande. Damit ist also nicht nur erstmals ein Achtzylinder das Spitzenmodell im Stall der Scuderia Ferrari. Erstmalig gibt es aus Maranello somit einen Sportwagen mit Allradantrieb.

Das Leistungsgewicht liegt bei lediglich 1,57 Kilogramm pro PS, der Sprint von 0 auf 100 km/h ist in 2,5 Sekunden absolviert, der auf 200 in 6,7 Sekunden, und bei 250 km/h wirken dank ausgeklügelter Aerodynamik 390 Kilogramm Anpressdruck auf die Räder.

Das Zusammenspiel der vier Motoren regelt indes eine aufwändige Steuerelektronik, die dem Piloten vier Antriebsmodi zur Verfügung stellt. Die beiden vorderen Elektromotoren liefern etwa im rein elektrischen Fahrmodus allein den Antrieb für 25 Kilometer und bis maximal 135 km/h. Gesteuert wird das an die beiden Vorderräder abgegebene Drehmoment unabhängig voneinander – eine Erweiterung des Torque Vectoring-Konzepts. Der voll in die Steuerung der Fahrzeugdynamik integrierte elektronische Regler für Kurvenfahrten – kurz RAC-e – regelt die Drehmomentverteilung und macht das Fahren am Limit so wesentlich einfacher und sicherer.

Das ist insofern bemerkenswert, da die Einführung der Hybridarchitektur auch wegen des zusätzlichen Gewichts eine Herausforderung war. Für maximale Performance hinsichtlich Gesamtgewicht, Steifigkeit und Schwerpunkt wurden Fahrwerk und Karosserie des SF90 Stradale völlig neu und unter Einsatz von Multimaterial-Technologien, zum Beispiel Carbonfaser, gestaltet. Das Ergebnis: ein Leergewicht von gerade einmal 1570 Kilogramm.

Spannend auch das Lenkrad, das jetzt über ein Touchpad und eine Reihe von haptischen Tasten verfügt, mit denen der Fahrer praktisch jede Funktion einfach mit dem Daumen steuern kann. Das zentrale Kombiinstrument ist vollständig digital und verfügt, erstmals in einem Auto, über einen gewölbten 16-Zoll-HD-Bildschirm, der über die Bedienelemente am Lenkrad konfiguriert und gesteuert werden kann.

Dass es keinen Zündschlüssel mehr gibt, sondern nur mehr eine Start-Taste, lässt sich noch als normaler Technischer Fortschritt verkraften. Mit der Idee, die klassische offene Kulissenschaltung alter Modelle durch ein "gitterähnliches Element" auch bei dem hier verbauten Automatikwählhebel anzuwenden, fällt aber eher unter die Kategorie "gut gemeint" und wäre bei einem solchen Kaliber an Auto nicht notwendig gewesen.

Auch verlor das Achtgang- im Vergleich zum Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe aus dem 488 zehn Kilogramm, was auch damit zu tun hat, dass man den Rückwärtsgang komplett eingespart hat. Aber kein Grund zur Sorge – nicht einmal Ferrari könnte einen Serienwagen auf den Markt bringen, der nicht rangiert werden kann. Doch in diesem Fall übernehmen die Retourfahrten komplett die zwei vorderen E-Motoren.

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