"Komm mit, Genosse", animiert Jovana Stojiljkovic Touristen zur Stadtrundfahrt in der serbischen Hauptstadt Belgrad. Nicht nur die Anrede stammt aus einer anderen Zeit, auch die Gefährte. In Yugos, klapprigen Kleinwagen aus dem einstigen Jugoslawien, gehen die Besucher auf Tour - auf den Spuren des zerfallenen Vielvölkerstaates.

Als Stojiljkovic vor 25 Jahren geboren wurde, existierte Jugoslawien schon nicht mehr. Doch das Interesse an der kommunistischen Vergangenheit ist groß und Stojiljkovic versucht mit ihrer Reiseagentur Yugotour davon zu profitieren. "Aufstieg und Fall einer Nation" heißt ihre dreistündige Tour durch die heutige serbische Hauptstadt, die vor dem Mausoleum des langjährigen jugoslawischen Machthabers Josip Broz Tito endet.

"Die Leute kommen, um in den Kult-Autos zu fahren", sagt Stojiljkovic. "Das ist so ähnlich wie die Touren mit dem Trabant durch Berlin." Genauso wie der Trabi in der DDR, war der Yugo in Jugoslawien allgegenwärtig. Zastava hieß der Autobauer in Kragujevac, der die Yugos neben dem noch kleineren Fica und dem Zastava 101 produzierte.

Wegen seines extrem niedrigen Preises wurde der Yugo in seiner Glanzzeit sogar zum Exportschlager. Die Kleinwagen wurden in 74 Länder verkauft, unter anderem nach Ägypten, Indien und sogar in die USA. Obwohl der Yugo seit zehn Jahren nicht mehr gebaut wird, sind immer noch tausende Exemplare auf dem Balkan unterwegs.

Früher wurde über die Yugos gespottet, weil sie so unzuverlässig waren. Heute zahlen Touristen aus der ganzen Welt viel Geld, um in die alten Kisten zu steigen und sich in eine vergangene Zeit zurückversetzen zu lassen.

Yugos als Fremdenführer

Einer von ihnen ist der 38 Jahre alte Dennis Bertelsen. Zusammen mit drei Freunden hat der Däne die Tour gebucht, "um einen Einblick in die Geschichte und den Zerfall Jugoslawiens zu bekommen", wie er sagt.

Die Route führt vorbei am berühmten Hotel Jugoslavija am Ufer der Donau, in dem einst die US-Präsidenten Richard Nixon und Jimmy Carter sowie die britische Königin Elizabeth II. nächtigten. Seit das Hotel 1999 von einer NATO-Bombe getroffen wurde, ist es geschlossen.

"Mich interessiert, wie diese Yugo-Nostalgie kommerzialisiert wird", sagt ein anderer Tour-Teilnehmer, der polnische Student Dominik Wojciechowski. Am meisten beeindruckt haben ihn auf der Stadtrundfahrt die Zwillingstürme des Genex-Hochhauses mit ihren 30 Stockwerken. "Wenn du von unten hoch blickst und siehst, wie groß es ist, spürst du den Prunk und die Macht Jugoslawiens", sagt der 25-Jährige.

Stojiljkovic will mit ihrer Agentur die Erinnerung an Jugoslawien wach halten, an das viele Menschen in der Region mit Wehmut zurückdenken. Ihnen ist der Kommunismus als eine Zeit relativen Wohlstands im Gedächtnis. Und als eine Zeit des Friedens. Bei den Kriegen, die den Zerfall Jugoslawiens begleiteten, wurden mehr als 130.000 Menschen getötet.

"Ich habe die ganzen Geschichten von meinen Eltern und ihren Freunden gehört", sagt Stojiljkovic mit Blick auf das frühere Jugoslawien. "Und laut ihren Erfahrungen hatten sie eine gute Zeit damals."

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