Wolfgang Wurm fährt mit dem erfolgreichsten Drehmoment seiner Karriere, die alles andere als geplant war und wohl auch deshalb so kompatibel mit den Spaniern ist. „Ich war in der Pubertät ja kein einfaches Kind, Disziplin war nicht meine herausragende Stärke“, lacht er.

Sein Vater prophezeite ihm eine Laufbahn als Straßenkehrer, er suchte den am weitesten entfernten Ort für die Schule aus - HTL/Chemie in Wels. Vor der Matura kam das große Nervenflattern, mit einem Freund kontaktierte er den kanadischen Botschafter, ob man denn nicht als Holzfäller nach Kanada kommen könne. „Der Botschafter hat sich wirklich gemeldet. Er hat geschrieben, dass man ausreichend Holzfäller habe, aber keine Chemiker - wenn wir die Matura schaffen, dann hole er uns als Chemiker nach Kanada“, schüttelt Wurm den Kopf.

Die Matura schaffte Wurm natürlich, das Leben hatte andere Pläne für ihn parat: Er studierte Soziologie, Theologie und Psychologie, bereiste ein halbes Jahr Südamerika als Rucksacktourist, und jobbte nebenbei, damit er sich das Studium finanziert - ehe er bei Porsche Austria in Salzburg andockte. In Zeiten, da noch Louise Piëch (Tochter von Ferdinand Porsche) als Patriarchin die Firma aufbaute. „Das war ein Familienbetrieb, und das ist auch heute noch unsere Stärke: Man kennt die Menschen über eine lange Zeit, du betrachtest das Geschäft nicht im Quartalsrhythmus, sondern längerfristig.“

Wurm erinnert sich an die ersten Gespräche mit Ferdinand Piëch und Wolfgang Porsche („Ich war meganervös“) bei Porsche Austria, er brachte VW als Planungsleiter erstmals seit Käfers Zeiten auf 20 Prozent. Seine Ideen gingen auf, auch mit Glück. Etwa als McDonald's Klage einreichte, weil man einen Polo als MacPolo verkaufte, in der Werbung natürlich in einem Burger-Bun eingelegt. McDonald's reichte eine Millionenklage ein, die abgewiesen wurde. „Ich hätte 200 Jahre arbeiten müssen, um das abzubezahlen.“

Dann kam die Herausforderung Seat, eher unerwartet, aber seinem Credo folgend: „Ich gestalte lieber selbst, als dass ich mir etwas anschaffen lasse.“

Seat entwickelte sich unter Wurm in Österreich prächtig. Klar gab es heikle Momente, etwa als Wurm eine Alhambra-Markteinführung durchzog, obwohl VW mit dem Schwesternmodell Sharan den Vortritt gehabt hätte. Aber ohne Wurms Umtriebigkeit wäre Seat nie so erfolgreich geworden. „Ich kann alles schön planen, aber alles hängt an Menschen, die das Produkt verkaufen, und an jenen, die das Geschäft führen.“ Wurms Wort hat in der Branche außerdem Gewicht, auch bei den NoVA-Verhandlungen mit der Bundesregierung.

Im Wandel fühlt sich Wurm wohl, auch das Querdenken sei seine Stärke, sagt er. „Ich achte in meinem Team darauf, dass ich keine Jasager habe. Man braucht Leute, die einen vor sich selbst schützen“, so Wurm. Seine im Dauerbetrieb sprudelnden Ideen passen gut zu Seats 360-Grad-Philosophie: Es geht nicht mehr nur um Autos, sondern um Mobilität, vom E-Scooter bis zum Auto-Motorrad-Hybrid (Seat Minimo).

„Unsere Fragestellung lautet: Wie kann Seat E-Autos leistbar machen? Wie schaffen wir Angebote für Mikromobilität, auch zusammen mit Öffis? Wir müssen ja nicht nur CO2-Bilanzen senken, der Platz in den Städten wird weniger. Die jungen Spanier bei Seat haben super Zugänge, weil sie sich in der letzten Krise neu erfinden mussten.“ Das Wichtigste für ihn bleibe der Spaß an der Arbeit. O-Ton: „Weil der Job ist zu aufwendig, als dass man ihn ohne Spaß an der Arbeit machen könnte.“

Mehr zum Thema