Die Elektromobilität nimmt langsam Fahrt auf. Die Entwicklung zusätzlich beschleunigen könnte der Gebrauchtwagenmarkt. Der ist jedoch noch sehr übersichtlich, nicht zuletzt, weil man mit dem Kauf eines gebrauchten Elektroautos scheinbar unbekanntes Terrain betritt. Rekuperation? High Power Charging? Ein Knackpunkt ist für viele der hohe Preis: Warum sich also nicht nach einem Gebrauchten umschauen? Tipps von TÜV SÜD für den Kauf eines gebrauchten Elektroautos.

Laufleistung, Ölverlust, Bremse und Lenkung: Die Standards beim Kauf eines Verbrenners sind Autofahrern geläufig. Gelten fürs Elektroauto dieselben Regeln? Dazu Volker Blandow: „Die Laufleistung spielt beim Elektrofahrzeug, zumindest für die Zuverlässigkeit des Antriebsstrangs, eine untergeordnete Rolle. Eine Million Kilometer oder mehr sind kein Problem – und das komplett wartungsfrei und praktisch ohne nennenswerten Verschleiß.“ Die Bremsen halten beim Stromer in der Regel ebenfalls länger. Dafür sorgt die Rekuperation, bei der die „Motorbremse“ Energie in die Batterie zurückführt und dabei für einen ordentlichen Bremseffekt sorgt – ohne dafür das Bremspedal zu treten. Komponenten wie das Ladekabel oder die Ladebuchse sollten Kaufinteressenten dagegen genauer unter die Lupe nehmen: „Allgemein bietet sich beim Elektrokauf eine Überprüfung beim markenspezifischen Händler an“, sagt Blandow.

Und was ist mit der Batterie? Der Akkumulator ist die wichtigste und teuerste Komponente im Elektroauto. Ihr Zustand steht ganz oben auf der Checkliste beim Kauf eines Gebrauchten. Die Fahrzeugelektronik sorgt zwar grundsätzlich dafür, dass die Batterie vor zu hohen Belastungen geschützt ist. Trotzdem haben beispielsweise Art und Häufigkeit der Ladungen Auswirkungen auf Haltbarkeit und Leistung. Markenhändler können in der Regel einen Zustandsbericht zur Batterie im Fahrzeug generieren. Darin werden zum Beispiel die Anzahl der Schnellladevorgänge gezählt und es wird die Restkapazität ermittelt. Blandow: „Die Werte geben erste wichtige Hinweise für Interessenten und die Prüfung sollte auf jeden Fall durchgeführt werden. Den wirklichen Gesundheitszustand kann man aber nur durch umfangreiche Messungen ermitteln.“ Also lieber gleich die Finger weglassen? „Nein“, sagt Blandow. „Unsere Erfahrung ist, dass die Batterien sogar besser halten, als viele Hersteller sagen. Nach mehr als 200.000 Kilometern Laufleistung und sieben bis acht Betriebsjahren sind viele Akkus häufig noch mit 80 bis 90 Prozent ihrer Anfangskapazität in Betrieb. Daraus ergibt sich eine hohe Zyklenfestigkeit und eine sehr geringe Alterung.“ Grundsätzlich raten die TÜV SÜD-Experten zu einem Auto, das regelmäßig gefahren wurde. „Das ist fast wie bei einem Verbrennungsmotor, wenn das Fahrzeug oft wochenlang nicht bewegt wird“, sagt Blandow.

Wo soll ich denn laden? Nur in absoluten Notfällen an der normalen Steckdose. Eine 11-kW-Wallbox in der Garage oder am Parkplatz ist da sehr empfehlenswert. Damit lassen sich alle Fahrzeugtypen sinnvoll laden. Aktuelle Elektroautos haben in der Regel größere Batterien mit 11 kW oder optional sogar 22-kW-Ladern, meist in Flottenfahrzeugen, verbaut. Elektroautos der ersten und zweiten Generation hatten dagegen meistens nur einen 3,7-kW-Lader, der sogar an einer einzelnen Phase betrieben werden kann. Für schnelleres Laden mit Gleichstrom steigt die Zahl der öffentlichen Schnelllader quasi täglich, auf Autobahnen werden die superschnellen Ladestationen (HPC 150) aktuell flächendeckend errichtet. Die meisten gebrauchten E-Fahrzeuge können diese allerdings nur bis zur Grenze von 50 kW nutzen, da nur neuere Modelle diese hohen Ladeströme nutzen können. Aber selbst bei 50 kW reichen 15 bis 20 Minuten für mindestens 100 weitere Kilometer.

Und im Winter? Die Batterietechnologie ist winterfest - auch wenn die Reichweite deutlich sinkt. Wer das Fahrzeug daheim lädt, sollte es vorheizen so lange es noch an der Steckdose hängt, das lässt sich bequem per App vom Frühstückstisch aus erledigen, dann startet man warm und mit voller Batterie. Sitz- und Lenkradheizung verbrauchen weniger Energie als die Innenraumheizung, die dann ein paar Grad niedriger eingestellt werden kann, ohne dass es an Behaglichkeit mangelt. Neuere Fahrzeuge nutzen effizientere Heiztechnik wie Wärmepumpen, hier sollte man den Verkäufer um Rat fragen.

Ansonsten gelten die gleichen Regeln wie beim konventionellen Gebrauchtkauf auch. Allgemeinzustand und Laufleistung sind (außer was den Motor betrifft) natürlich weiter ein Kriterium. Einzelne Bauteile, wie etwa Stoßdämpfer, verschleißen genauso wie beim Verbrenner. Blandow: „Lediglich die Reifen sind ein Thema. Das extrem hohe Drehmoment sorgt für erhöhten Verschleiß.“

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