Søren Rasmussen bleibt für einen kurzen Moment ganz ernst: „Und wenn die Lichter auf dem Flugfeld angehen, bringt bitte die Autos schnell weg. Wir haben rund zehn Minuten, dann landet nämlich ein Flugzeug.“ Hier, in der Nähe der Tannis-Bucht, im Norden Dänemarks, glaubst du bei den tief liegenden Wolken ohnehin, dass dir der Himmel gleich auf den Kopf fällt. Und dann noch ein Flugzeug? Naja, Søren, der dänische Organisator und Autojournalist, legt grinsend nach: Das passiere nur in Ausnahme- und Notfällen, aber wir sollten halt vorbereitet sein.

Also können wir uns wieder beruhigt dem größten unabhängigen Autotest weltweit, dem Tannis-Test, widmen. Organisiert von der nordischen Fraktion der „Car of the Year“-Jury, in der 59 Journalisten aus 23 europäischen Ländern vertreten sind. Für Österreich: Susanne Hofbauer (Autorevue), Horst Bauer (Kurier), Didi Hubmann (Kleine Zeitung).

Die Tannis-Tests stellen den Beginn einer Testreihe dar, die die Jury an den Polarkreis genauso wie an die Teststrecke im französischen Mortefontaine führt, wo die sieben Finalisten auf Herz und Nieren geprüft werden. Jetzt überprüft Søren aber zuallererst mit seinem Team die Reifendrücke der einzelnen Fahrzeuge, jedes Detail muss erfasst werden, damit man echte Vergleiche möglich macht. 21 der 44 Autos unterschiedlicher Marken werden am Flugfeld getestet. Vom Kia e-Soul bis zum Peugeot 208, vom Mazda CX-30 bis zum VW T-Cross.

Begonnen wird mit einer Sicherheitsprüfung, die für jeden Autofahrer lebenswichtig sein kann: Ausweichmanöver samt Spurwechsel, vulgo Elchtest. Jedes der Fahrzeuge wird mit ansteigenden/unterschiedlichen Tempi durch den mit Pylonen vorgegebenen Spurwechsel gejagt. Immer mit der gleichen Anzahl von Passagieren. In mehreren Durchgängen.
Dabei werden Unterschiede zwischen den Konzepten erst richtig deutlich. Man sieht, wie der neue Audi e-tron mit seinem Gewicht kämpft, wie sich Peugeot 208 und der Renault Clio ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern, oder wie viel Grip der allradgetriebene Tesla 3 aufbaut.

Die Tests sind in Eigenregie samt Hightech-Equipment organisiert. Und selbst und von den Verlagen finanziert. Alle Ergebnisse werden online gestellt, sie sind genauso einseh- wie nachvollziehbar. Die Jury arbeitet dabei völlig unabhängig.

Was hier aufgearbeitet wird, sind keine Ausfahrten für eine Horde wild gewordener PS-Junkies, sondern ernsthafte Analysen, die dem Kunden entscheidende Informationen näherbringen sollen. Eine Art Stiftung Warentest in der Automobilindustrie.

Das beginnt auf dem Flugfeld beim Elchtest und endet bei den Testreihen für automatische Notbremssysteme, die angesichts eines verformbaren/beweglichen Hindernisses mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten aufs Letzte ausgereizt werden. Wie arbeiten dabei die Gurtstraffer, wie funktioniert das Frühwarnsystem, bis zu welcher Geschwindigkeit schafft es der Notbremsassistent vor dem Hindernis stehen zu bleiben, wie hart wird gebremst? Die nordischen Kollegen spielen die Infos wieder in die Welt, vom täglichen Podcast bis zum Newsletter – alles wird in den Tag verpackt. Und am Strand der Tannis-Bucht – wo Autos erlaubt sind – werden später Drohnenvideos gedreht.

Die „Car of the Year“ ist auch ein Spiegelbild einer Branche, die sich im Umbruch befindet. Die E-Mobilität nähert sich mit all ihren Stärken und Schwächen, der Blick der Gesellschaft auf die Autos ist ein anderer geworden. Wer das Rennen 2020 macht? In Genf, beim nächsten Autosalon im März, werden wir es wissen – es wird und kann wieder nur einen Sieger geben.

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