Gut zwei Jahrzehnte lang war Seat das Sorgenkind von Volkswagen. Die spanische Tochter verdiente weder Geld noch verfügte sie über Modelle, die sonderlich Lust auf die Marke machten. Zur Verschärfung der Situation trug dann auch noch die Finanzkrise bei, als sich der spanische Markt nahezu halbierte und Seat schon als Wackelkandidat galt. Doch Ferdinand Piëch hielt stets die schützende Hand über die notleidende Tochter. „Ein Kind in der Familie verstößt man nicht, wenn es einmal krank ist“, pflegte der frühere VW-Patriarch zu sagen. Und bewies mit dem Festhalten an der Einstiegsmarke des Konzerns wie schon oft zuvor Weitblick.

Heute steht Spaniens einziger Automobilhersteller blendend da, erwirtschaftet Gewinne und wächst schneller als jede andere Volumensmarke am Markt. Vor zwei Jahren schrieb Seat endlich wieder schwarze Zahlen, im Vorjahr gab es mit 468.400 Fahrzeugen den dritten Absatzrekord in Folge. Und der Erfolgslauf hält unvermindert an: Mit einem Plus von über 20 Prozent im ersten Halbjahr bleibt Seat auf der Überholspur und ist drauf und dran, sich - ähnlich wie Skoda - zu einer Perle im Wolfsburger Zwölf-Marken-Reich zu entwickeln.

Die Wandlung vom Aschenputtel zur Prinzessin hat Seat mit der dritten Generation des Leon vollzogen. Der schicke Spanier leitete die Wende ein, mit dem kompakten SUV Ateca gelang der nächste große Wurf, auch das City-SUV Arona schlug ein. Mit seinem emotionalen und sportlichen Design und den scharf kalkulierten Preisen ist Seat speziell ein Angebot für junge Menschen. Mit einem Durchschnittsalter von 44 Jahren verfügt die Marke über die jüngste Kundschaft der Autobranche.

Der charismatische Kopf hinter Seat: Luca de Meo
Der charismatische Kopf hinter Seat: Luca de Meo © Pablo Tribello

Kritik aus Wolfsburg gibt es lediglich noch zur vergleichsweise jämmerlichen Rendite von knapp zwei Prozent (Skoda: 9 Prozent!), die mittelfristig zumindest verdoppelt werden soll. Dafür wird das neue Flaggschiff Tarraco sorgen, mit dem Seat im margenträchtigen Segment auf Kundenfang geht. Aber auch die neu gegründete Submarke Cupra, die für eine noch stärkere Emotionalisierung steht, soll die Seat-Kasse künftig lautstärker zum Klingeln bringen.

Überhaupt hat Seat-Boss Luca de Meo so einiges vor. Der charismatische Italiener, der früher bei Fiat und Audi tätig war und seit Ende November die südländische VW-Tochter führt, will Seat zu einer globalen Marke machen und das Wachstum durch einen Markteintritt in Südamerika, China und Nordafrika beschleunigen. Dazu ist für die nächsten drei Jahre ein Modellfeuerwerk geplant, mit Neuheiten im 6-Monate-Takt. Dabei geht Seat auch an die Dose: Für Ende 2019 sind zwei Stromautos angekündigt, der elektrifizierte Mii (Reichweite: 250 bis 300 km) könnte schon bei 20.000 Euro starten.

Übrigens: Das Lieblingsland von de Meo ist Österreich. Sieht man vom Heimmarkt ab, kann niemand einen Marktanteil von aktuell 6,1 Prozent bieten. Hierzulande verkaufen nur die Marke VW und Skoda mehr Autos.

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