Das Bremsen ist manchmal noch ein wenig ruckelig. Aber da wollen wir einmal nicht so sein, immerhin ist der 7er BMW ja noch Fahranfänger. Er kurvt souverän durch den Parcours, das Lenkrad dreht sich wie von Geisterhand, am Steuer sitzt: niemand. Und man selbst ist bei all dem nur noch ein Passagier auf der Rückbank, dessen Gefühlsskala zwischen fasziniert und verstört pendelt, während die Limousine selbst lenkt, bremst - und denkt.

BMW hat kürzlich im Münchner Vorort Unterschleißheim sein Entwicklungszentrum für selbstfahrende Autos eröffnet. Auf dem Campus sollen rund 1800 Mitarbeiter an der Technologie tüfteln, die die Bayern ab 2021 im Elektroauto iNext anbieten wollen: autonomes Fahren bis Level 3. „Sicheres autonomes Fahren“, wie BMWs Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich nicht müde wird zu betonen.

Weil: Jetzt ist schon wieder was passiert. Ein autonomer Testwagen des Fahrdienst-Vermittlers Uber hat in Tempe, einer Stadt im US-Bundesstaat Arizona, eine Fußgängerin überfahren. Das erste Menschenleben, das auf Kosten eines voll automatisierten Autos geht, das seine Fahrerin eigentlich nur mehr zur Überwachung an Bord hatte. Anders als bei den Unfällen mit fatalen Folgen von Teslas teilautonomem System Autopilot wohlgemerkt, bei dem sich die Fahrer aus dem Geschehen gar nie hätten ausklinken dürfen. Bis jetzt ist nicht geklärt, warum die Sensoren in Ubers Prototyp die Situation nicht richtig erkannt und keine Notbremsung eingeleitet haben.

„Es ist tragisch, aber es kommt nicht überraschend, dass solche Unfälle passieren“, sagt Horst Bischof, Vizerektor für Forschung an der TU Graz. „Die Systeme können heute schon viel, aber auch noch viel zu wenig.“ Moderne Sensorik arbeite inzwischen zuverlässiger als die menschlichen Sinne, aber eben nicht fehlerfrei. Und man spricht von 200 Millionen virtuellen und realen Kilometern, die die Software für autonome Fahrzeuge im Testbetrieb durchlaufen muss.

Dass die neuen Player aus dem Silicon Valley, wie Uber und Tesla, in Schlagzeilen und Straßentests vorpreschen, verwundert Bischof nicht: „Sie gehören zu den Firmen, die die Technologie am schnellsten auf den Markt bringen wollen, und haben die Mentalität von IT-Unternehmen mit wesentlich kürzeren Entwicklungs- und Produktzyklen.“

Zudem räumen in den USA manche Bundesstaaten weitreichende Möglichkeiten zum Einsatz im öffentlichen Verkehr ein. „Da wird Technologie auf den öffentlichen Verkehr losgelassen, die noch nicht sicher genug ist“, sagt Martin Russ, Geschäftsführer der AustriaTech. „Eine Handvoll Firmen diskreditiert damit eine ganze Branche, die an dem Thema seriös arbeitet.“ Bei der Umsetzung automatisierten Fahrens sei man in Europa „vielleicht nicht so schnell, aber wesentlich sicherer“, sagt Bernd Datler, technischer Geschäftsführer der Asfinag. Allein wegen des restriktiveren rechtlichen Rahmens.

Dieser ist neben der Weiterentwicklung der Technologie, einem flächendeckenden 5G-Netz für schnelle Datenübertragung, aber auch der Sicherheit unserer Daten einer der größten Brocken, die es in den nächsten Jahren und Jahrzehnten auf dem Weg zum vollautonomen Fahren zu stemmen gilt. Aber damit der Mensch auf diese neue Form der Mobilität einsteigt, muss er erst einmal lernen, der Maschine zu vertrauen. Und dafür, das belegen Studien, ist die Sicherheit der Knackpunkt.

Unfälle wie jüngst in den USA könnten möglicherweise die Stimmung zum autonomen Fahren in der Gesellschaft trüben. Oder den Vertrauensvorschuss verspielen, der laut Studien in den letzten Jahren zunimmt: Äußerten 2017 in einer Befragung des Consultingunternehmens Deloitte noch knapp 67 Prozent der Befragten aus 17 Ländern Sicherheitsbedenken, sind es aktuell nur noch 41 Prozent.

Eines muss klar sein: Zwar ist die Fehlerquelle Mensch für 90 Prozent der rund 40.000 tödlichen Verkehrsunfälle pro Jahr in Europa verantwortlich, absolute Sicherheit gibt es jedoch auch dann nicht, wenn künstliche Intelligenz am Steuer sitzt. „Aber die Systeme müssen wesentlich besser arbeiten als der Mensch, sonst werden sie von den Kunden nicht akzeptiert werden“, sagt Horst Bischof.

Eine große Schwachstelle ortet er darin, dass vom Fahrer bis einschließlich Level 4 (siehe Infokasten oben) im Notfall ein Eingreifen erwartet wird: „Aus der Ablenkung in eine kritische Situation eingreifen? Das ist fast unmöglich.“ Studien der Universität Southampton zeigten, dass die Probanden bis zu 30 Sekunden brauchten, um wieder die volle Kontrolle über das Fahrzeug zu erlangen, wenn sie davor länger auf eine andere Tätigkeit fokussiert waren. „Vielleicht werden wir eine andere Art von Führerschein brauchen, die uns genau auf diese Fälle vorbereitet“, sagt Arno Klamminger vom Austrian Institute of Technologie.

Bremsen, geschweige denn stoppen werden Unfälle die autonome Mobilität nicht. Dafür ist schon zu viel Geld in die Entwicklung geflossen und dafür hat sie ein viel zu großes Potenzial: Durch Sharing könnten weniger Autos mehr Menschen mit geringerem Einsatz an Rohstoffen befördern. Das bedeutet aber nicht, dass autonomes Fahren überall die effizientere Lösung ist. „Die Autobahn oder bestimmte Zonen in der Stadt sind geeignete Betriebsumgebungen, wo man es punktuell einsetzen kann“, sagt Martin Russ. „Flächendeckend sehe ich das derzeit nicht. Wir wollen am Ende ja nicht alle automatisiert im Stau stehen.“

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