Eigentlich wollte die Städterin Claudia Streith nie aufs Land ziehen, ihr Mann Heimo hatte nie den großen Traum vom Hausbauen und beide konnten sie nie verstehen, was der Reiz eines modernen Architektenhauses sein sollte. Mit den beiden Kindern des Ehepaares und der Beharrlichkeit von Heimo Streiths Vater kam schließlich aber alles anders. „Zum Glück“, sagt die junge Familie heute zu einer Geschichte, wie sie nur das Leben schreibt.

Das Ja zum Wohnen auf dem Land kam mit Felix (5) und Emil (2,5) irgendwann ganz automatisch und das Grundstück direkt neben dem Elternhaus von Heimo Streith gab es bereits, als es für das junge Paar 2015 ans Hausplanen ging. „Wir hatten eine sehr klare Vorstellung von einem Satteldachhaus mit Keller und zwei Obergeschoßen“, sagt Heimo Streith. Ein befreundeter technischer Zeichner brachte diesen Wunsch auch schnell zu Papier - und dann begann die (schwieger-)väterliche Einmischung. Als architekturbegeisterter Mann, der schon in den 1970er-Jahren selbst mit einem Architekten gebaut hatte, hatte Streith senior ein sicheres Gespür dafür, dass sich aus diesem Grundstück mehr als das klassische Keller-und-zwei-Geschoße-Programm herausholen ließe. Langer Rede kurzer Sinn: Der Vater schickte Sohn und Schwiegertochter mit den Worten „Gehts hin und schauts euch das an, ich bezahle die Planung“, zur Architektin Marion Wicher, deren Arbeiten er gut kannte.

Wicher betrachtete das Grundstück der Streiths und deren Pläne fürs Haus und sah vor allem eines: verschenkte Möglichkeiten. Statt sich mit wortreichen Erklärungen aufzuhalten, ermöglichte die Planerin dem Ehepaar aber einfach den Zutritt zu einem ihrer Einfamilienhäuser: einem bereits mehrfach publizierten monolithischen Drei-Flügelbau in der Obersteiermark. „Das Raumerlebnis hat uns sofort überzeugt“, sagt Claudia Streith. Ein einziger offener, lichtdurchfluteter Wohnraum mit Raumhöhen bis zu 4,5 Metern - alles auf einer Ebene, völlig barrierefrei, das begeisterte sie und ihren Mann.

Entsprechend dem Vorbild findet die Trennung der Funktionszonen im Haus Streith über die einzelnen Gebäudeflügel statt: Küche, Wohn- und Essbereich auf der einen Seite, zwei Kinderzimmer, Elternschlafzimmer und Bad auf der anderen. Sozusagen als Scharnier für ein Haus, das maximale Bewegung erlaubt, wurde zwischen den zwei Flügeln ein Eck mit zwei 2,4 Meter breiten Glastüren eingezogen, die sich vollständig zur Seite schieben lassen, was ein scheinbar grenzenloses Sommerwohnzimmer möglich macht. Küche, Terrasse und Garten werden eins. „Das haben wir uns von Anfang an gewünscht“, sagen die Bewohner, die sich heute deshalb in ihrem Haus so gut wiederfinden, weil die Ausformung jeden Details letztlich an der Frage hing: „Haben wir auch wirklich ein gutes Gefühl dabei? Was sagt der Bauch?“ Das beginnt bei der Entscheidung fürs Bauen mit Ziegel und einem Holzdachstuhl statt Wichers präferierter Betonstruktur sowie einer Fassade aus Lärchenschindeln und endet bei der überraschend organischen Form eines begehbaren Kachelofens, der die Sitzbank beim Esstisch ist.