Hoch gedämmte Gebäudehüllen und weniger Energieverluste, dafür ein mögliches Schimmelproblem: Ist eine kontrollierte Wohnraumlüftung gar der Bauherren-Weisheit letzter Schluss? Bausachverständiger Günther Nussbaum klärt auf.
Warum wird heute überhaupt so viel über eine Wohnraumlüftung gesprochen?
GÜNTHER NUSSBAUM: Bei allen Baustandards haben wir heute eine hoch wärmegedämmte Gebäudehülle, was ja vernünftig ist, weil wir damit viel weniger Energie verlieren. Sind aber die Fenster, wie etwa bei neuen Wohnhausanlage dicht und wird unkontrolliert gelüftet, ist ein permanenter hygienischer Grundluftwechsel von 0,5 kaum zu schaffen: Also, dass alle zwei Stunden die Raumluft mit frischer Luft ausgetauscht wird. Eine Wohnraumlüftung schaufelt in dieser Zeit einmal das komplette Raumluftvolumen raus. Man hat also permanent frische Luft.
Ist das die Lösung für ein mögliches Schimmelproblem?
NUSSBAUM: Der Großteil der Schimmelschäden kommt daher, dass die Leute zu wenig lüften, weshalb die Feuchtigkeit drinnen bleibt, und weil sie zu wenig heizen. Ich habe im Jahr mehr als hundert Termine wegen Schimmelbefall, überwiegend in gut gedämmten Wohnhausanlagen. Hier wäre es sehr sinnvoll, wenn eine Wohnraum­lüftung vorgeschrieben wäre.
Auch bei Einfamilienhäusern?
NUSSBAUM: Da muss das nicht unbedingt sein. Hier gibt es ein größeres Raumluftvolumen, man hat weniger Probleme mit schlechter Luftwechselzahl und in der Regel immer wieder mal ein Fenster offen. Das soll jeder selber entscheiden.
Für welche Bauherren zahlt sich so eine Anlage dann aus?
NUSSBAUM: Sehr sinnvoll ist sie sicher dort, wo man wegen Lärm- oder Schmutzbelastung nicht oft lüften kann. Man muss sich nicht ums Lüften kümmern, hat immer frische Luft, das ist sicher der größte Vorteil.
Was sind die Nachteile?
NUSSBAUM: Der größte Nachteil ist sicher jener der Kosten. Eine Wohnraumlüftung macht zwischen 10.000 und 20.000 Euro aus.
Was ist mit den Problemen ­einer möglichen Verkeimung und Lärmbelastung?
NUSSBAUM: Bei entsprechend fachgerechter Verlegung und Wartung verkeimt in der Regel keine Wohnraumlüftung im Einfamilienhaus. Der schlechte Ruf so einer Lüftung kommt eher aus dem Industriebereich, aus der Gastronomie oder den Krankenhäusern. Häuslbauer müssten schon zehn Jahre oder mehr keine Wartung oder keinen Filtertausch machen, um eine derartige Verkeimung zustande zu bringen. Allerdings: Wenn ich eine Luftleitung im 180-Grad-Winkel verlege, darf ich mich nicht wundern, wenn sie verstaubt und verkeimt. Natürlich ist sie dann auch lauter. Aber: Wenn ich ordentlich verlegen lasse, wenn keine stärkeren Biegeradien dabei sind und die Anlage gut einreguliert ist, sollte es kein Problem geben. So eine Wohnraumlüftung darf man übrigens auch einmal abdrehen, man darf Fenster und Türen öffnen.
Und der laufende Betrieb?
NUSSBAUM: Ich habe halt etwas, womit ich mich auseinandersetzen sollte. Zum Beispiel darf man beim Putzen die Tellerventile nicht verdrehen, um den Luftstrom nicht zu verstellen. Der Luftvolumenstrom darf auch nicht zu hoch sein, dann hat man im Winter eine zu trockene Luft. Aber: Das ist alles Einstellungssache.