Die Albertina entführt in die Zeit vor der Virtual Reality: Während heute am Computer fotorealistische Rundgänge durch noch nicht existierende Bauten zum Standard der Zunft gehören, waren jahrhundertelang Zeichnungen das Medium der Wahl, wollte man sich projektierter Architektur nähern. Die Albertina präsentiert nun einige Preziosen ihrer rund 40.000 Zeichnungen umfassenden Kollektion.

"Meisterwerke der Architekturzeichnung" lautet der Titel der ersten Ausstellung, deren zweiter Teil im Juni 2018 zu sehen sein wird. Anhand von 60 Beispielen präsentiert man eine Zusammenschau, die von der Gotik bis zum 20. Jahrhundert über 700 Jahre Architekturgeschichte reicht. So ergibt sich ein etwas arbiträres Nebeneinander von Architekturskizzen des Barockmeisters Francesco Borromini über klassische Stadtansichten bis zu zahlreichen Bauvorhaben der Jugendstilikone Otto Wagner. Auf eine nennenswerte Erklärung zu den porträtierten Bauten und ihrer jeweiligen Geschichte anhand der Saaltexte - und ohne den umfangreichen Katalog - muss der Besucher allerdings verzichten.

Das Haus Nummer 9 von Josef Frank
Das Haus Nummer 9 von Josef Frank © Albertina, Wien

Der Fokus liegt ganz auf der Architekturzeichnung als eigene Kunstform. "Wir sehen diese Ausstellung als eine große Chance, darauf hinzuweisen, dass die Interpretation von Architektur nicht nur eine Sache der Architekten ist", umriss Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder die Konzeption. So lebt die Konfrontation von Villen-Entwürfen Carl von Hasenauers, Adolf Loos' oder Josef Franks nicht zuletzt von der unterschiedlichen Ausführung der Darstellung zwischen farbigem Aquarell und schneller Schwarz-Weiß-Zeichnung.

Und doch sind am reizvollsten die nicht realisierten Fantasien der Baukünstler, die imaginierten Architekturträume, die aus den verschiedensten Gründen nie das reale Licht der Welt erblickten und so den Zauber des Möglichen verströmen. Dazu gehört etwa Max Hegeles Terrassencafe als Abschluss des Wiener Schottenrings, um den Bürgern den Blick auf die andere Seite des Donaukanals mit seinen nicht standesgemäßen Bauten zu ersparen.

Entwurf für den Dom in Berlin von Otto Wagner
Entwurf für den Dom in Berlin von Otto Wagner © Albertina, Wien

Oder Otto Wagners Idee für den Berliner Dom aus 1891 neben Clemens Holzmeisters Kirchenentwürfen für Brasilien. "Ein Gedanke kann nicht gebaut werden", verweist Kurator Christian Benedik auf die immanente Funktion der Architekturzeichnung im Prozess.

Dieser will man auch in Teil 2 der Ausstellung ab 27. Juni nachspüren. Dass es entgegen mancher Planungskonzepte der Kulturverwaltung heute kein eigenes Architekturmuseum der Bundeseinrichtungen gebe, sei für ihn kein Drama, betonte in diesem Zusammenhang Klaus Albrecht Schröder: "Ich halte das persönlich für kein Unglück." Dass die entsprechenden Sammlungen auf verschiedene Häuser aufgeteilt seien, bringe unterschiedliche Zugänge und Perspektiven mit sich.