Man muss kein Architektur-Liebhaber sein, um Renzo Piano zu begegnen. Wer auf Stadtbummel oder Einkaufstour ist, auf einem Flughafen steht oder gerade ein Museum besucht: Vermutlich stand er mitten drin in einem Werk des italienischen Stararchitekten, der kürzlich seinen 80. Geburtstag feierte.

Ob Centre Pompidou in Paris, Potsdamer Platz in Berlin, Weltstadthaus in Köln oder Flughafen in Osaka, ob Paul-Klee-Museum in Bern oder das höchste Hochhaus Westeuropas, "The Shard" in London - Piano hat all diese Gebäude entworfen. Und er hat sich dabei immer wieder neu erfunden.

"Die wirkliche Falle für einen Architekten ab einem bestimmten Zeitpunkt seiner Karriere ist es, in einem bestimmten Stil gefangen zu sein", sagte er einmal in einem Interview. Und so gilt er im Vergleich zu Frank Gehry oder der 2016 verstorbenen Zaha Hadid als Wandlungskünstler. In der Tat hat sein Centre Pompidou, das er in den 1970er-Jahren mit nach außen gestülpten Rohren und Treppen furchtlos in die Pariser Innenstadt stellte, wenig mit "The Shard" zu tun - dem 310 Meter hohen Glasturm am Londoner Themseufer.

Renzo Piano (rechts) blickt mit Londons Ex-Bürgermeister Boris Johnson auf London
Renzo Piano (rechts) blickt mit Londons Ex-Bürgermeister Boris Johnson auf London © APA/BEN FITZPATRICK/NEWSCAST

Was viele seiner Bauten eint: Die Kritik an ihnen. "The Shard" nannte Prinz Charles einen "Salzstreuer", andere sahen darin eine "Scherbe, die ins Herz Londons gerammt wurde". Beim Centre Pompidou schlugen viele zunächst die Hände über dem Kopf zusammen, heute gilt es als einer der Hauptanziehungspunkte in Paris. "Jedes namhafte neue Bauwerk ist erst einmal modern, bevor es ein Klassiker werden kann", so Piano.

Freilich nimmt er Kritik ernst. "Ich bin als Architekt mit einer gewissen Bereitschaft zum Streit groß geworden. (...) Nicht, weil ich ständig beweisen muss, wie toll ich bin, sondern weil es der einzige Weg ist, um zu überleben. Sonst wird man ein kleines Kaninchen, das modischen Firlefanz macht."

Der Potsdamer Platz zum Beispiel gilt vielen immer noch als gesichts- und seelenlose Ansammlung von Bürotürmen im Herzen Berlins. Ihm gehe es dabei manchmal wie einer "ängstlichen Mutter, die sieht, wie mager ihr Kind ist, oder dass es einen bösen Leberfleck hat. Die eigentlich nur will, dass ihr Kind geliebt wird", so Piano. Man müsse dem Platz noch etwas Zeit geben, damit er schön werde. Er selbst lässt seine Gebäude nie allein, besucht sie auch noch, nachdem sie fertig sind. "Ich laufe bei meinen Bauten heute immer noch herum und gucke, ob alles in Ordnung ist", sagte er. "Ich bin nie zufrieden."

Blick aus dem Centre Pompidou in Paris
Blick aus dem Centre Pompidou in Paris © FOTOLIA

Piano will Orte schaffen, an denen Menschen zusammenfinden. Der rote Faden seiner Arbeit sei "der Kampf gegen die Schwerkraft". Und so sind seine Bauten oft glasig, leicht, luftig - ein "Flirt mit dem Licht", getrieben von dem Wunsch nach Leichtigkeit, wie er sagt. Licht, Luft, Wind: Hier schlägt die Leidenschaft fürs Segeln durch. Und so hat Piano - geboren in der Hafenstadt Genua - selbst Segelboote entworfen.

Piano stammt aus einer Bauunternehmerfamilie, kein Wunder also, dass er eine Karriere einschlug, die etwas mit Bauen zu tun hat. Er studierte in Florenz und Mailand, will weniger Künstler als Handwerker sein. Sein internationaler Durchbruch gelang ihm zusammen mit dem britischen Architekten Richard Rogers, mit dem er das Centre Pompidou baute.

Heute arbeitet Piano mit einem Team aus rund 150 Mitarbeitern aus Genua, New York oder Paris, wenn er nicht gerade wieder irgendwo in der Weltgeschichte für ein neues Großprojekt ist. Als Senator auf Lebenszeit ist er seiner Heimat immer noch stark verbunden. Nach der Erdbebenserie in Mittelitalien beriet die Regierung mit ihm, wie man die zerstörten Städte wieder aufbauen und Italien endlich erdbebensicher machen könnte.