Das Nein des Verwaltungsrichter zur dritten Landepiste am Wiener Flughafen ließ einen Bau-Menschen wie Sie aus allen Wolken fallen?
KARL-HEINZ STRAUSS: Im ersten Moment dachte ich, das ist ein früher Aprilscherz. Als ich die Urteilsbegründung nachgelesen hatte und in Kenntnis der Personen und Motive, dachte ich: So, jetzt tragen wir den Wirtschaftsstandort Österreich, seine Internationalisierung und nachhaltige Sicherheit für Investoren zu Grabe.

Sie begrüßen die Verfassungsbeschwerde, die gegen das Urteil des Bundesverwaltungsrichterkollegium eingebracht wurde?
Ich erachte das Richtertriumvirat als eine echte Zumutung – mit ehemaligen Umweltaktivisten und mit Argumenten eines Großgrundbesitzers ohne Anhörung vieler Themen. Das ist unprofessionell. Ich hoffe, dass es eine Gesetzesänderung geben wird. Dass es so passiert ist, ist aber vielleicht ein guter Weckruf.

Weil Sie das Gefühl haben, dass sehr viele Großprojekte in Österreich nur mehr sehr schwer oder gar nicht mehr umsetzbar sind?
Das Problem in Österreich ist, dass Großprojekte heute durch viele Einsprüche von sehr kundigen Rechtsanwälten über die Themen Umweltschutz und Standards richtig bekämpft werden. Es hat aber auch damit zu tun, dass viele Großprojekte von der Politik nicht mehr mit Vehemenz vertreten werden.

Sie erwarten mehr Rückgrat politischer Entscheidungsträger?
Ich wünsche mir Entschlossenheit wie beim Wiener Hauptbahnhof, der ein Paradebeispiel als eines der größten Infrastrukturprojekte Europas ist. Das wurde in kurzer Zeit von einem kundigen Bauherrn in guter Kooperation mit der Stadt Wien im Budget umgesetzt.

Blumen für Ex-ÖBB-Chef Kern?
Das war der Vorgänger, aber mit Christian Kern wurde es finalisiert. Hier hat man am Anfang viel diskutiert, Wünsche und Beschwerden aufgenommen ohne das Projekt zu schwächen. Am Ende gab es eine Entscheidung, die durchgezogen wurde.

Österreichs Umweltgesetze sind Ihnen zu streng?
Es war sicher das erste Mal, dass bei einem Flughafen das mangelnde Land und die Möglichkeit der Ernährung der Menschheit als allgemeine Platitüde zum Tragen kam. Das halte ich auch für unzulässig.

Für den Wirtschaftsstandort ringt man um Flexibilisierung der Arbeitszeit. Gelingt das heuer?
Die Flexibilisierung ist dringend notwendig. Aufträge kommen in immer kürzerer Zeit. In der Bauindustrie ist es noch viel wichtiger. Wir brauchen den Auftrag, wenn er da. Dann wollen wir, können aber aufgrund der Witterung nicht. In der Bauwirtschaft wären Jahresarbeitszeitkonten locker möglich. Eine EU-Regel erlaubt 60 Stunden pro Woche mit elf Stunden Ruhezeit. Warum gibt man sich in Österreich mit Regelwut viel mehr vor, als die EU Rahmen gewährt? Haben wir in Österreich kein Selbstbewusstsein?

Baugewerkschaftschef Josef Muchitsch lehnte diese Woche den Zwölf-Stunden-Tag abermals als Relikt der Vergangenheit ab.
Mit Josef Muchitsch diskutiere ich viel. Wir hätten mit der Bauarbeiter-Urlaubskasse ein neutrales Institut, wo heute schon alle Urlaubszeiten und Abfertigungen dargestellt werden. Das funktioniert vorbildlich und ist schlank aufgestellt. Mich wundert, dass der Tourismus so etwas noch nicht hat. Wir müssten im Dezember den Bauarbeiter nicht abmelden und wir würden das AMS entlasten. Für den Bauarbeiter hat es den Vorteil, dass er angemeldet bleibt und Pensionszeiten länger angerechnet bekommt. Für alle wäre es ein flexibles System, bei dem nichts verloren geht.

Viele besser bezahlte Überstunden allerdings schon.
Es kann nicht sein, dass die Gewerkshaft heute schon vor Verhandlungen mit solchen plakativen Themen Druck macht. Das ist unsinnig. Die Bauwirtschaft könnte eine Vorreiterrolle einnehmen. Wir wissen, wie gefährlich es ist, wenn man zwölf Stunden durcharbeiten würde. Obwohl wir schon Durchrechnungssysteme haben, können wir heute bei bestimmten Asphaltierungen und Betonierungen nicht auf Gedeih und Verderb vom Arbeitsinspektorat abhängig sein.

Ihr Vorstoß, Großunternehmen sollten eigene Kollektivverträge abschließen können, blieb allein.
Der Widerstand ist groß. Aber eine flexible Zeit braucht flexible Lösungen. Unsere Arbeitnehmer wären sofort dafür. Sie verdienen mehr, größere Durchrechnungszeiträume machen einfach Sinn.

Die Sorge vor Durchrechnungszeiträumen von zwei Jahren verstehen Sie aber schon?
Ein oder zwei Jahre, das würde ich diskutieren. Es gibt Branchen, da wünschen sich Arbeitnehmer es sich auf zwei Jahre aufgeteilt. Für die Bauwirtschaft würde ein Jahresarbeitszeitkonto für ein Jahr reichen.

Schaffen die Sozialpartner eine Lösung bis zum Sommer?
Zeit genug wäre.

Die Regierung hat angedroht, anderenfalls die Arbeitszeit per Gesetz zu flexibilisieren.
Darauf kann ich nur hoffen – wenn es nicht vorher Neuwahlen gibt.