Bei der Bewältigung des Skandals um manipulierte Abgaswerte kann Volkswagen darauf hoffen, am Dienstag in den USA einen Riesenschritt voranzukommen. Es steht die richterliche Entscheidung über den Milliarden-Vergleich an, der zwischen dem Konzern und den Aufsichtsbehörden sowie Verbraucheranwälten ausgehandelt wurde.

Der Richter in San Francisco hat bereits signalisiert, dass er die Vereinbarung voraussichtlich absegnet. Allerdings ist der juristische Ärger für Volkswagen in den USA dann noch lange nicht vorbei.

Der Vergleichsvorschlag, über den Bundesrichter Charles Breyer jetzt zu entscheiden hat, verpflichtet Volkswagen zur Zahlung von 14,7 Milliarden Dollar (13,5 Mrd. Euro). Dies wäre die höchste Wiedergutmachung, die ein Automobilhersteller jemals in den USA gezahlt hat. Die Wolfsburger haben sich die Mega-Summe abringen lassen, da ein Prozess lange Ungewissheit und möglicherweise noch höhere Kosten mit sich bringen würde.

Besitzer werden entschädigt

Rund 10 Milliarden Dollar sind für die Besitzer von knapp einer halben Million Wagen mit Zwei-Liter-Motoren bestimmt. Die Besitzer können die Wagen mit der Schummel-Software entweder zurückverkaufen oder kostenlos umrüsten lassen. Zusätzlich sollen sie Entschädigungen von bis zu 10.000 Dollar erhalten. Die übrigen Milliarden sollen in den Kampf gegen die Luftverschmutzung und die Förderung emissionsfreier Wagen fließen.

Zu der Wiedergutmachungssumme kommen noch mehrere hundert Millionen Dollar hinzu, die der Konzern an die Klägeranwälte zu zahlen haben wird.

Eine Lösung zeichnet sich auch für die geschädigten VW-Vertragshändler ab. Der Konzern hat mit 652 US-Händlern eine Entschädigungszahlung von 1,2 Milliarden Dollar ausgehandelt. Breyer hat den Vergleichsvorschlag vorläufig gebilligt, die nächste Anhörung dazu soll im Jänner stattfinden.

Lösung für Luxusautos gesucht

Von der Manipulation der Abgaswerte betroffen sind auch rund 80.000 Drei-Liter-Fahrzeuge in den USA. Für diese Luxusmodelle will Breyer von Volkswagen bis zum 3. November konkrete Lösungsvorschläge präsentiert bekommen. Der Konzern hat in Aussicht gestellt, die Falschmessungen bei diesen Wagen ohne aufwendige Umrüstung, sondern mittels einer relativ einfachen Überarbeitung der Software beheben zu können. Sollte dies den Richter nicht überzeugen, könnte auch diese Vereinbarung für den Konzern teuer werden.

Neben den zivilrechtlichen Auseinandersetzungen laufen auch strafrechtliche Ermittlungen gegen den Konzern. Das Justizministerium in Washington sieht Anhaltspunkte für kriminelle Machenschaften. Auch hier strebt Volkswagen eine außergerichtliche Einigung an. Nach einem Bericht des "Wall Street Journal" vom Sommer könnte das Ministerium den Wolfsburgern im Rahmen eines Vergleichs eine Strafe von mehr als 1,2 Milliarden Dollar auferlegen.

Mit 43 US-Bundesstaaten und Verwaltungsbezirken hatte Volkswagen im Juni eine Vereinbarung über die Zahlung von 570 Mio. Dollar wegen irreführender Geschäftspraktiken erzielt. Mehrere Staaten haben aber seither nachgelegt und wegen Verstößen gegen ihre Umwelt- und Verbrauchergesetze geklagt. Die neuen Forderungen könnten sich in den Milliardenbereich summieren.

Klagen gegen Konzernchefs

Brisant sind die Klagen von New York und anderen Staaten auch insofern, als darin schwerwiegende Vorwürfe gegen Konzernchef Matthias Müller und dessen Vorgänger Martin Winterkorn erhoben werden. Dem wegen des Skandals zurückgetretenen Winterkorn wird angelastet, von den Schummeleien gewusst zu haben. Müller soll demnach schon 2006 als damaliger Audi-Manager zumindest gewusst haben, dass es Probleme gab, die US-Abgasnormen einzuhalten. Das Unternehmen hat stets beteuert, die heutige und frühere Konzernspitze hätten nichts von den illegalen Tricksereien gewusst.

Unangenehm ist für Volkswagen auch die Klage gegen einen Ingenieur, der an der Entwicklung der Mogel-Software beteiligt gewesen sein soll. James L. hat sich schuldig bekannt und will mit den Behörden zusammenarbeiten. Dies könnte weitere Enthüllungen zur Folge haben.

EU-Kommission unzufrieden

Die Europäische Kommission hält die Pläne von Volkswagen zur Beilegung des Abgasskandals in Europa für unzureichend. Der Aktionsplan von VW unterstreiche "die Absicht, die Unannehmlichkeiten für die Verbraucher zu minimieren", enthalte dazu aber "keine einzige spezifische Maßnahme", schrieb EU-Kommissarin Vera Jourova laut der "Welt" vom Montag an den Konzern.

"Der Plan sollte den Konsumenten weitere Vorteile anbieten", heißt es demnach in dem Schreiben. So sollte Volkswagen bestimmten Kunden besonders schnell Reparaturen gewähren oder ihnen das Fahrzeug "zu vorteilhaften Bedingungen" abkaufen - etwa dann, wenn sie in ein anderes Land umziehen oder wenn sie ihr Fahrzeug aufgrund persönlicher oder familiärer Bedingungen schnell verkaufen müssen, wie die "Welt" unter Berufung auf Auszüge aus dem Schreiben weiter berichtete. Bei dem Rückruf handle es sich nicht um einen normalen Defekt, argumentierte Jourova demnach.

Ein Ersatzwagen am Tag der Reparatur reiche nicht aus. "Den Kunden in ihrer Mobilität am Tag der nötigen Updates zu unterstützen, ist eine normal Geschäftspraxis in solchen Fällen und kann deswegen nicht als ein 'Bonus' angesehen werden". Jourova trifft am Donnerstag in Brüssel VW-Vorstand Francisco Javier Garcia Sanz, der im Konzernvorstand die Aufarbeitung des Abgasskandals betreut.