Das Klagelied vieler Tourismusbetriebe über fehlende Mitarbeiter verstummt weiterhin nicht. Zahlen die Betriebe zu wenig und verlangen zu viel?
MICHAELA REITTERER: Nein, das Problem liegt schlicht darin, dass die Bevölkerung nicht so schnell wächst wie der Tourismus. Der wächst weltweit jedes Jahr um 3,3 Prozent. Früher kamen die Mitarbeiter aus Deutschland und anderen Nachbarländern – mittlerweile sind das selbst starke Tourismusdestinationen. Es jammern ja alle Branchen, nur im Tourismus hält sich mit Vehemenz das Gerücht, dass schlecht bezahlt und zu lange gearbeitet werde.

Sie halten das für ein Gerücht?
Ein Drittel der Bevölkerung arbeitet am Wochenende. Ärzte und Krankenpfleger haben viel schlimmere Dienstzeiten als wir. Und Hoteliers zahlen gut.

Was kann Ihre Branche tun, um attraktiver zu werden?
Wir müssen das Bewusstsein auf die Lehre richten. Es war früher zum Genieren, wenn ein Jugendlicher eine Lehre gemacht hat. Und jetzt haben wir einen Haufen akademischer Arbeitsloser, aber viel zu wenig Lehrlinge. Das hat sich gebessert. Es ist eine Frage des Images, nicht der Bezahlung. In der Hotellerie gibt es Jobs für alle.

Mit dem neuen Arbeitszeitgesetz wurden fast alle Ihre Wünsche erfüllt. Aber was bringt es den Arbeitnehmern?
Arbeiten, wie sie es sich teilweise wünschen. Wenn es in einer Branche viele offene Stellen gibt, wird kein Unternehmer Mitarbeitern etwas aufs Auge drücken, was sie nicht wollen.

Die Nachtruhezeiten werden nun ebenfalls kürzer.
Gerade jungen Menschen auf Saison reicht es, wenn sie nur einen Tag in der Woche freihaben. Bei mir wollen Leute an der Rezeption 12-Stunden-Dienste, für Stubenmädchen wäre das aber viel zu anstrengend. Es wird Situationen geben, wo wir das ausschöpfen werden.

Wann?
Wenn es zum Wohl des Gastes ist. Ganz ehrlich: Hätten wir die Nachtruhezeiten von elf Stunden immer eingehalten, wäre in Österreich niemand verheiratet – man könnte keine Hochzeit machen. Alle, die jetzt dagegen schreiben, haben ja auch einmal geheiratet und hätten sich beschwert, wenn der Kellner früher heimgegangen wäre.

Die Mehrwertsteuer für Übernachtungen wird mit 1.11. von 13 auf 10 Prozent gesenkt. Wird das an die Gäste weitergegeben?
Nein, es wurde auch die Erhöhung nicht weitergegeben. Dafür gab es zwei Jahre lang in der Hotellerie eine komplette Investitionsbremse.

Bei Arbeitszeit und Steuern ist Ihnen die Politik entgegengekommen. Was ist noch zu tun aus Sicht der Hotellerie?
Wichtig ist die Verkürzung der Abschreibung von heute 40 Jahren. Sie muss der Lebensdauer angepasst werden – ein Bad zehn Jahre, ein Dach dafür länger. Im Moment wird beim dritten Wellnessbereich noch der erste abgeschrieben. Weiters gehört die Mangelberufsliste regionalisiert.

Muss die Mobilität der Köche und Kellner besser werden?
Alle Arbeitsplätze sollen österreichweit vermittelt werden – Mobilität gehört gefördert und gefordert. Bevor ich arbeitslos in Wien sitze, könnte ich fünf Monate in Tirol richtig gut Geld verdienen, ohne dem Staat auf der Tasche zu liegen.

Trotz stärkeren Wettbewerbs wird Österreichs Tourismus im Sommer erneut wachsen?
Ich glaube ja. Wir merken schon, dass auch die Türkei und Tunesien wieder anziehen. Aber die Sommerfrische bei uns ist nach wie vor hip.

Ein Reizwort ist Airbnb?
Ja, weil wir hier zwei Dinge völlig übersehen. Diese Plattform zahlt in Österreich keine Steuern. Das stößt jedem Unternehmer auf, wenn ein Milliardenkonzern keine Steuern zahlt. Da muss die EU langsam in die Gänge kommen.

Was wird noch übersehen?
Wir lassen es zu, dass die Unternehmer geknebelt werden, und schauen zu, wie Wohnraum als Hotellerie verwendet wird. Wir haben eine Explosion der Mietpreise und vermieten allein in Wien 11.000 Wohnungen über Airbnb. Es wird notwendig sein, dass jeder, der vermietet, eine Registrierungsnummer beim Finanzamt eingibt. Wer viel vermietet, kommt in die gewerbliche Vermietung hinein.

Der Tourismus ist in Österreich aber Landessache.
Ja, und jeder duckt sich. In Wien baut man ganze Wohnhäuser, um die über Airbnb zu vermieten. Das ist ein versteckter Betrug – mit den Auflagen eines Wohnhauses wird hier Parahotellerie betrieben. Ein Hotel zu bauen, kostet ja um 30 Prozent mehr. Ich spare mir Kosten und später Steuern. Ein Teufelskreis. Dieses System fliegt uns um die Ohren.