Kaum ein neues Haus wird gebaut ohne eigene Photovoltaik-Anlage am Dach. Doch was macht man, wenn die Sonne scheint und man gerade nicht zu Hause ist? Die bisherige Lösung: Batterie im Keller oder an den Netzbetreiber verkaufen, zu sehr unattraktiven Preisen. Wäre es nicht elegant, wenn man den Strom direkt an den Nachbarn verkaufen könnte?

Genau das soll jetzt erstmals in einem Pilotprojekt von Verbund und Salzburg AG getestet werden. Möglich wird das durch eine Technologie, die man von der Hackerwährung Bitcoin kennt: die Blockchain.

„Mit dem Einsatz von Blockchain im Endverbraucherbereich werden neue Energieprojekte möglich“, sagt Leonhard Schitter, Vorstandssprecher der Salzburg AG. Das Unternehmen testet zwei Mieterprojekte. Die FH-Salzburg hat eine private Blockchain für Mehrfamilienhäuser mit Photovoltaik-Panelen entwickelt. Die gesamte Stromsteuerung und die Sicherheit werden lokal mit eigenen Blockchain-Rechnern abgebildet. Beim Verkauf der Überproduktion an den Netzbetreiber bekommt jeder Mieter/Eigentümer sofort seinen genauen Anteil gutgeschrieben.

Jeder wird zum Stromhändler

Das zweite Projekt wurde vom Wiener Start-up Grid Singularity entwickelt. Wieder geht es um ein Mehrparteienhaus mit PV-Anlage. Die Bewohner werden gewissermaßen zum Stromhändler. Sie können selber bestimmen, wie der eigene Strom genutzt wird. Entweder verbraucht man ihn selbst, verkauft ihn an Nachbarn mit mehr Strombedarf oder speist die Energie in die hauseigene Batterie. Die gesamte Verrechnung läuft dezentral auf der öffentlichen Blockchain von Ethereum. „Es handelt sich um das erste Mieter-Strom-Projekt auf Blockchain-Basis in Europa“, so Erwin Smole, der aus Kärnten stammende Mitgründer von Grid Singularity.

Auch der Verbund hat starkes Interesse an der Technologie. Allerdings geht es hier um den Großhandel. „Die Abwicklung über Blockchain bietet hier viele Vorteile, welche die Transaktionskosten reduzieren“, erklärt Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber. Der Stromkonzern testet die Verrechnungsplattform Enerchain des deutschen Unternehmens Ponton, das ohne Broker, ohne Mittelsmann, auskommt. Durch die gesunkenen Kosten können auch kleine Erzeuger am Strommarkt teilnehmen.

Auch die Energie Steiermark sehe das Thema Blockchain als die zentrale Herausforderung im Energiegeschäft der kommenden Jahre, sagt Konzernsprecher Urs Harnik-Lauris. Die Einsatzgebiete seien vielfältig. Deshalb habe es vor Kurzem eine Inkubator-Ausschreibung mit klarem Fokus auf Blockchain gegeben. Harnik-Lauris: „Wir hatten über 250 Einreichungen aus zwölf Ländern.“

„Die Kelag wendet die Blockchain Technologie im Projekt Grid Chain im Verband Österreichs Energie an“, erklärt Heinz Sitter, Leiter IT und Telekommunikation. „Die lückenlose, transparente Aufzeichnung der Geschäftsmodelle durch kryptographische Algorithmen bringt den Kunden kurze Wege“, erläutert er.