Das Technologieunternehmen Kapsch hat sich im Laufe seiner 125-jährigen Geschichte schon mehrmals neu erfinden müssen - zuletzt zu Beginn dieses Jahrtausends, als das Traditionsunternehmen eine schwere Krise zu überstehen hatte. "Heute ist nichts mehr so wie vor 17 Jahren, außer unseren Grundwerten", sagt Georg Kapsch, der das Familienunternehmen seit 2001 leitet.

"Das Unternehmen war bis in die Neunzigerjahre ein sehr Österreich-zentriertes Unternehmen", sagte Kapsch. "Wir waren in einer extrem schlechten strategischen Position und haben den Großteil unseres Umsatzes mit einem Kunden in Österreich gemacht. Und auf der anderen Seite hatten wir einen Technologiepartner", schilderte Kapsch die damalige Ausgangslage. "Das war in Zeiten des Oligopols in der Telekom in Österreich mittelfristig und von der Ertragslage her eine sehr komfortable, aber immer schon eine strategisch sehr gefährliche Position." Auf Grund der damaligen Eigentümerstruktur sei es auch nicht möglich gewesen, diese Grundstrategie zu ändern.

"Die wirklich Veränderung hat eigentlich im Jahr 2000 begonnen, als wir die Eigentümerstruktur und auch die Geschäftsführungsstruktur total verändert haben." Damals habe auch die Internationalisierung begonnen. "Wir haben Unternehmen akquiriert und wir haben Märkte angesprochen, von denen wir eigentlich keine Ahnung hatten."

Nach einer massiven Krise in den Jahren 2001/02 habe man das Unternehmen komplett restrukturiert, und heute sei nichts mehr so wie damals. "Wir haben völlig andere Gewichtungen in den Produkten und Dienstleistungen. Ein Bereich, der vor 15 Jahren nicht einmal ein Prozent des Umsatzes des Unternehmens ausgemacht hat, nämlich das Thema Maut, Traffic Management und Mobility, der macht heute ungefähr 60 Prozent des Gesamtumsatzes aus."

648 Millionen Euro Umsatz, knapp 5000 Mitarbeiter

Die Kapsch-Gruppe besteht heute aus drei wesentlichen Bereichen: 25 Prozent des Geschäfts werden mit den Themen IT, IT-Security sowie Sprach- und Datennetzwerke generiert. Ungefähr 15 Prozent des Umsatzes stammen aus dem Bereich Bahnkommunikation und öffentliche Telekomnetzbetreiber. 60 des Geschäfts sind Maut, Traffic Management und Verkehrsmobilitätslösungen.

Die Kapsch TrafficCom, die seit 2007 im Prime Market der Wiener Börse notiert, hat im Geschäftsjahr 2016/17 mit mehr als 4.800 Mitarbeitern einen Umsatz von rund 648 Mio. Euro erwirtschaftet. Insgesamt beschäftigt die Kapsch-Gruppe rund 7.000 Leute, davon etwa 2.000 in Österreich. 37 Prozent der Kapsch TrafficCom werden an der Börse gehandelt, die Marktkapitalisierung beträgt derzeit rund 653 Mio. Euro. Ein Zweitlisting an einer anderen Börse würde angesichts des vergleichsweise geringen Volumens derzeit keinen Sinn machen, so Kapsch.

Maut und Traffic Management wird für das Unternehmen noch eine ganze Weile das Schwerpunktthema bleiben, ist Kapsch überzeugt. Das Mikrowellen-basierte Mautsystem, wie es etwa in Tschechien zum Einsatz kommt, sei das sicherste und habe die beste Performance.

Für eine europaweite Maut, wie sie bereits diskutiert wird, "kommt ein satellitenbasiertes System die nächsten zehn, fünfzehn Jahre für Pkw nicht in Frage, das ist viel zu teuer", ist Kapsch überzeugt. Die On-Board-Units für Satelliten-Systeme würden ein Vielfaches dessen kosten, was man für Mikrowellen-On-Board-Units ausgeben müsste. Das sei im Lkw-Verkehr nicht wirklich relevant, weil die Stückzahlen nicht so groß seien. Bei Pkw gehe es aber um 40 Millionen Fahrzeuge, "da ist der Unterschied beim Investitionsvolumen in Milliardenhöhe". Videobasierte Systeme wie zum Beispiel in Ungarn seien hingegen von der Performance her nicht so gut. "Wenn Sie in Florida sind, haben Sie das Problem nicht, aber dort, wo es Schnee gibt und viel schlechtes Wetter, haben Sie bei Video immer die Einschränkung der Optik. Nebel ist Nebel und eine schmutzige Kamera ist eine schmutzige Kamera."

Die Einführung einer europaweit einheitlichen Treibstoffsteuer anstelle der Maut zur Finanzierung der Straßen-Infrastruktur hält Kapsch für kein geeignetes Mittel. "Die Fahrzeuge brauchen immer weniger Treibstoff und der Anteil der Elektrofahrzeuge wird immer größer. Das heißt, es gehen die Einnahmen zurück, während man aber die gleiche Infrastruktur braucht - denn ob Sie ein Elektrofahrzeug auf der Straße bewegen oder ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor, die Straße wird so oder so beansprucht." Dazu kämen aber auch weitere Nachteile der Treibstoffsteuer: "Sie können mit der Mineralölsteuer den Verkehr nicht steuern, Sie können keine verkehrsabhängigen Bemautungen vornehmen, Sie können keine streckenspezifischen Mauteinhebungen machen, also in besonders sensiblen Bereichen mehr Maut einheben und in weniger sensiblen Bereichen weniger."

Die Elektromobilität werde künftig kaum ein Schwerpunkt für Kapsch sein, meint der Firmenchef. "Vielleicht im Bereich von Plattformen, wo es um das Aufladen von Fahrzeugen geht. Aber ansonsten ist es für unser Geschäft - wir sind ja primär in der Kommunikation von Fahrzeugen - irrelevant, ob das Fahrzeug durch einen Verbrennungsmotor oder Elektromotor angetrieben wird."

Anders sehe es beim autonomen Fahren aus, "da sind wir dabei, da geht es um die Kommunikation von Fahrzeugen untereinander und zwischen Fahrzeugen und Infrastruktur. Die Automobilindustrie hat lange Zeit geglaubt, dass sie alles mit der Sensorik im Fahrzeug machen kann. Mittlerweile ist auch der Automobilindustrie klar, dass Fahrzeuge miteinander kommunizieren müssen und dass sie auch um die Infrastruktur nicht ganz herumkommen." Allerdings sei das autonome Fahren noch relativ weit weg, glaubt Kapsch. "Nur weil ein paar Fahrzeuge auf der Autobahn autonom fahren, sind wir noch lange nicht bei einem autonomen Verkehr."

Speziell im Stadtbereich müssten die Fahrzeuge mit Daten über Ampelsteuerungen oder Baustellen versorgt werden, "sonst haben Sie ununterbrochen Stau". Der Sinn des autonomen Fahrens sei es ja vor allem, den Verkehr besser fließen zu lassen und die Sicherheit zu erhöhen und nicht so sehr die Bequemlichkeit. Dafür brauche man eine Datenbasis. "Und da sind wir da, weil wir Daten erheben, aggregieren und distribuieren - ob das jetzt Ampeldaten sind, Verkehrsdaten oder Parken. In Wien zum Beispiel sind 40 Prozent des innerstädtischen Verkehrs nur Parkplatzsuche. Das muss man auch in den Griff bekommen, und mit all diesen Themen beschäftigen wir uns. Das Thema Mobilität ist sicher unser Kernthema für die Zukunft." Weitere Schwerpunkte seien Digitalisierung und IT-Sicherheit.

Obwohl das Thema der Nachfolge an der Unternehmensspitze noch längere Zeit nicht ansteht, hat man sich über das Thema schon Gedanken gemacht. In der nächsten Generation gibt es in der Familie insgesamt sieben Kinder, alle im Alter zwischen 19 und 25 Jahren. "Wir sind drei, ich habe eine Schwester und einen Bruder. Meine Schwester hat drei Töchter, mein Bruder hat zwei Söhne und ich habe auch zwei Söhne." Zwingen werde man niemanden ins Unternehmen zu gehen. "Wer will, kann, bei entsprechender Qualifikation", so Kapsch. Voraussetzung sei ein Master-Abschluss- "wenn einer Philosophie macht oder Psychologie gilt das genauso" - sowie Berufserfahrung in einem anderen Unternehmen. "Interessant ist, dass zwei meiner Nichten an der TU studieren und die Burschen alle nicht Technik machen. Einer macht Landwirtschaft und drei machen Betriebswirtschaft."