Vor 35 Jahren hatte Kärnten knapp 19 Millionen Übernachtungen jährlich. Jetzt sind es rund 13 Millionen. Was lief falsch?
WOLFGANG ROSAM: Über viele Jahre hat man darauf gesetzt, was Kärnten einst groß machte: den Massentourismus. Wer aber um 60 Euro an die spanische Küste fliegen kann, gibt nicht drei Tanks aus, um nach Kärnten zu fahren. Dieser Massentourist ist weg. Die Betriebe, und es werden immer mehr, die auf Qualität setzen und ein Alternativangebot machen, sind auch erfolgreich.

Viele andere haben Probleme.
Es ist eine Minute vor zwölf. Kärntens einzige Chance ist Qualität, Qualität, Qualität. Es muss rasch umgedacht werden.  Vergleichen Sie das mit der Schweiz: Die haben superteure Quartiere, superteures Essen und einen superteuren Franken. Sie schaffen es mit Qualität und einer neuen Klientel. Und das schafft auch Kärnten.

Wie sieht der Weg dorthin aus?
Kärnten ist das Nischenland für Top-Qualität und für Genussmenschen. Das ist die Chance, die dieses Land wie kaum ein anderes hat. Du hast eine Natur gottgegebener Schönheit und auch die Produzenten. Man muss sie ermutigen und ihnen zeigen, dass sie damit auch gutes Geld verdienen können.

Brauchen die Unternehmer, die Qualität bieten, auch mehr Mut zu höheren Preisen? Verkauft sich Kärnten unter Wert?
Absolut. Es ist nicht notwendig, im Preis zu dumpen. wenn ein gutes Produkt drei, vier oder fünf Euro mehr kostet, hält das der Markt aus. Die Gäste, in der Gastronomie und Hotellerie schaffen das. Ich kenne ein Hotel, das zu Ostern im Vergleich zum Vorjahr den Zimmerpreis um 45 Euro erhöhte und mehr Auslastung hatte. Dem Gast, der dorthin kommt, ist das wurscht, wenn alles rundherum passt. Nicht Masse, sondern Klasse.

Wie gelingt es, diese Nische zu besetzen?
In der Nische will man überrascht werden. Kärntens Hotellerie und Gastronomie müssen sich einfach mehr anstrengen, Gäste zu überraschen. Wenn man kreativer ist, ist man in der Lage, bessere Preise zu erzielen.

Südtirol wird immer wieder als Beispiel genannt, was könnte Kärnten daraus lernen?
Es ist auch vom Massen- zum Qualitätstourismusland gedriftet. Kärnten sollte sich an Südtirol, am Elsass, an San Sebastian orientieren. Das sind auch außergewöhnlich schöne Landschaften, die mit Kulinarik punkten. Ich möchte den Tag erleben, an dem man nach Kärnten fährt, um zu essen. Aufgrund des Einzugsgebietes hat Kärnten viele Chancen. Vergesst die Leute, die 14 Tage oder drei Wochen kommen – wer macht das noch? Kärnten ist das klassische Land für eine Woche oder lange Wochenenden.

An welchen Schrauben muss Kärnten drehen, um die Lage im Tourismus zu verbessern?
Kärnten wird als eine Destination gesehen und braucht als Gesamtes eine Qualitätsoffensive. Dann muss man aber sehr individuell vorgehen: Wie kann ich den sanften Weg zu einer besseren Marke und höherem Einkommen schaffen? Wir müssen endlich aufhören zu glauben, wir hätten nur ein paar Wochen im Winter und ein paar Wochen im Sommer. Kärnten muss zur Zwischensaison-Destination werden. Die Kärntner Betriebe sperren viel zu spät auf. Ostern war Anfang April, viele machen überhaupt erst Anfang Mai auf. Das Tourismusmarketing muss Vorzeige-Rezepte proaktiv zeigen.

Ist die Marge wichtiger als das Schielen auf die Zahlen in der Nächtigungsstatistik?
Ich bin seit 35 Jahren Unternehmer. Mich interessiert die Marge, nicht der Umsatz. Kein Hotelier darf in Bettenvermietungskategorien denken, sondern muss sich fragen, was ihm überbleibt. Wer seine Zimmer größer und schöner macht, hat weniger Betten und vielleicht weniger Umsatz, aber eine höhere Marge.

Der Klagenfurter Flughafen führt ein Dasein am Existenzminimum. Wie soll er belebt werden?
Gott sei dank haben wir ihn. Wenn die Destination Kärnten gefragt ist, dann gibt es auch die Airlines, die die Gäste transportieren werden. Das ist das Henne-Ei-Thema. Ich glaube, es muss zuerst das Angebot von Kärnten geben, dann bekomme ich bestimmt auch den Flieger dazu.

Welche Rolle spielt die Alpen-Adria-Region?
Ich möchte, dass die Leute in Kärnten wohnen und einen Tagesausflug nach Triest oder Grado machen. Warum mutet man den Urlaubern nicht auch zu, was die Kärntner längst praktizieren? Wir sind schließlich keine Oase in der Wüste, sondern im Alpen-Adria-Bereich auch umgeben von wunderschönen Landschaften.