Sie leiten bei SAP ein Entwicklerteam von mehreren Hundert Mitarbeitern mit Standorten in Deutschland, Indien und im Silicon Valley. Welche Änderungen unseres Arbeitslebens haben Sie im Fokus?
Georg Glantschnig: Wir fokussieren uns darauf, Vertriebs- und Servicemitarbeiter über mobile Anwendungen produktiver zu machen. Diese Leute sind zu 90 Prozent „on the road“ und brauchen ihr gesamtes Wissen auf dem mobilen Gerät. Zusätzlich versuchen wir, die Interaktion mit dem Gerät zu verändern.

Sie setzen sogenannte Bots – Roboterprogramme – sowie künstliche Intelligenz ein.
Das Gerät lernt, welche Aktionen wie ablaufen und wird daher auch aktiv Vorschläge machen. Es kennt etwa den Kalender und definiert die Route und Fahrtzeit, weiß, mit wem man sich trifft, und bereitet über Linkedin oder Xing das Profil der Teilnehmer auf. Das Gerät kann auch prüfen, ob die richtigen Leute zum Termin eingeladen sind. Wir wissen, welche Vertriebsmitarbeiter erfolgreich sind und welche nicht, und generieren daraus Vorschläge.

Sie arbeiten im Silicon Valley. Wie darf man sich das Leben im Technologie-Mekka vorstellen?
Es ist ein ständiges Kommen und Gehen. Leute versuchen es, scheitern und verlassen das Valley wieder. Weil niemand wirklich familiäre Wurzeln hier hat, sind alle sehr offen und kontaktfreudig.

Und arbeiten quasi rund um die Uhr?
Es ist ein „Always on“-Modus: Die Arbeitsbelastung ist sehr hoch, die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verschwinden. Dies braucht auch viel Selbstdisziplin, um Familie, Arbeit und Erholung zu managen. Die Leute sind hier aber sehr ergebnisorientiert, daher ist der Stress eher positiver Stress.

Wie gehen Sie damit um?
Fast alles ist automatisiert, alles wird online erledigt, der tägliche Einkauf erfolgt über Mobile-Apps. Eine „Alexa“ oder „Google Home“ steht in jedem Haus, um bei täglichen Fragen oder Aufgaben zu helfen. Für Kinder ist es eine einzigartige Erfahrung, weil sie miterleben, wie sich das Lernen verändert, und aktiv die Zukunft des Lernens mitgestalten. Und es ist sauteuer hier – und es wird jedes Jahr teurer.

Sie sind seit 2012 im Silicon Valley, haben viele Orte gesehen, die ihm nachzueifern versuchen. Was kann das Original, was die Kopien nicht können?
Klingt banal, ist aber wichtig: das Klima. 300 Sonnentage. Das tiefe Blau und helle Licht lassen jedes Problem als Herausforderung erscheinen. Wenn ich dies mit den herbstlichen Nebeltagen vergleiche, wo das Problem zum unlösbaren Stolperstein wird … Im Silicon Valley finden sich die hellsten Köpfe der Welt und kommunizieren in einer Sprache, Englisch. Kommunikation ist der Erfolgsfaktor, es gibt hier keinen Neid, die Leute wollen hier die Welt verändern.

Und drittens?
Die Risikobereitschaft und das Kapital. Es gibt hier mehr Investorengeld als Wasser. Und das Kapital bleibt im Valley. Hat jemand ein erfolgreiches Start-up gelauncht und Milliarden an Wert geschaffen, wird dieses Geld wieder in neue Start-ups investiert. Man setzt sich nicht auf einer steuerfreien Insel mit dem Geld zur Ruhe.

Wann werden Computer Menschen ersetzen können?
Der Computer hilft, den Menschen intelligenter zu machen, er wird ihn aber nicht ablösen. Der Computer beobachtet, was passiert, künstliche Intelligenz ist dafür der Oberbegriff, wir sprechen von „Machine Learning“. Wir nutzen diese Innovationen, um unsere Produkte intelligenter zu machen. SAP bringt künstliche Intelligenz in das Unternehmenssegment.

Wie werden wir in Zukunft arbeiten und leben?
Die Technologie wird immer intimer. Zuerst hatten wir Großrechner, dann Personal Computer, Handys, jetzt Sensoren, in der Kleidung, an der Hand, die die uns durch das Leben begleiten. Software und Hardware werden immer mehr unser Leben bestimmen. Man muss sich nur die heutige Jugend ansehen. Für achtjährige Kinder ist es ganz normal, mit einem Computer zu sprechen, um Informationen zu bekommen. Selbstfahrende Autos sind greifbar nahe und keine Fiktion mehr. Hier im Silicon Valley sind elektrische und selbstfahrende Autos schon ganz normaler Bestandteil des Lebens.

Wie wird sich unser Leben dadurch ändern?
Wir entwickeln uns zur Sharing-Gesellschaft. Uber und Airbnb machen Hausbesitz und Autobesitz obsolet. Für eine Firma zu arbeiten, wird nicht mehr das Standardmodell sein. Innovationen werden weiter unser Leben prägen und diese mitzugestalten, ist mein Ziel. Der Hofer-Computer hat heute schon eine ähnliche Kapazität wie ein menschliches Gehirn. Bald wird ein Computer die Kapazität von zwei Gehirnen haben, dann vier und bald das der gesamten Menschheit. Das menschliche Gehirn denkt linear. Die Veränderung passiert aber exponentiell.