Wofür Boni eigentlich gut sind, hat John Cryan nach eigenem Bekunden noch nie verstanden. "Ich würde nicht einen Tag härter arbeiten, nur weil ich einen Bonus bekomme", sagte der Deutsche-Bank-Chef kurz nach seinem Amtsantritt im Juli 2015.

Ohnehin finde er, "dass die Leute in Banken zu viel Geld bekommen", urteilte der Brite. "Viele in der Branche meinen immer noch, sie sollten wie Unternehmer bezahlt werden."

Fette Boni für Investmentbanker in London und New York waren jahrelang an der Tagesordnung. Die Kapitalmarkt-Jongleure galten als Gelddrucker der Finanzbranche, Goldman-Sachs-Chef Lloyd Blankfein sah sie gar "Gottes Werk" verrichten - und die Banker profitierten selbst üppig von ihren oft riskanten Geschäften. Legendär ist der Fall eines später gefeuerten Zinsspekulanten der Deutschen Bank, der für das Jahr 2008 etwa 80 Mio. Euro Bonusansprüche angehäuft haben soll.

Boni wurden EU-weit begrenzt

Die Zeiten haben sich geändert. Als Reaktion auf die Finanzkrise 2008/2009 zog Brüssel eine Bonusschranke ein, um Gehaltsexzessen einen Riegel vorzuschieben. Seit 2014 dürfen Banker in der EU nicht mehr Bonus erhalten als Festgehalt. Nur wenn die Aktionäre zustimmen, darf der Bonus maximal das Doppelte des Grundgehalts betragen.

Deutschlands größtes Geldhaus tritt bei den Boni für 2016 nun hart auf die Bremse: Nach 2,4 Mrd. Euro 2015 dürfte der Bonuspool um mindestens die Hälfte schrumpfen. Spitzenbanker ab der mittleren Führungsebene bekommen keine individuellen Boni. Auch der gesamte Vorstand verzichtet erneut auf eine variable Vergütung. Cryan verlangt auch von seinen Führungskräften Opfer für die Milliardenlasten aus dubiosen Geschäften der Vergangenheit.

Die Politik wird den Trend mit Wohlwollen zur Kenntnis nehmen. "Wir haben bei Banken gesehen, dass Scheingewinne über Vergütungen privatisiert wurden, Risiken und spätere Verluste aber sozialisiert wurden", schreibt der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in einem Gastbeitrag für das "Handelsblatt" (Mittwoch). Es sei daher richtig, dass Boni in der Finanzbranche zum Großteil nicht mehr sofort ausgezahlt werden dürfen, sondern über mehrere Jahre gestreckt werden müssen. Die SPD-Forderung nach einer stärkeren Begrenzung von Bonuszahlungen für Manager lehnte Schäuble jedoch ab.

Weitere Verschärfung in Deutschland

Denn eine weitere Verschärfung der Boni-Regeln ist bei der Finanzaufsicht Bafin bereits in Vorbereitung: Mit der Neufassung der sogenannten Institutsvergütungsverordnung sollen auch bereits ausgezahlte Boni zurückgefordert werden können. "Gerade im Bankenbereich ist diese massive Verschärfung der Boni-Vorschriften folgerichtig", argumentiert Schäuble. "Denn bei der Aufarbeitung der Finanzkrise hat sich gezeigt, dass die Feststellung eines möglichen Fehlverhaltens mehrere Jahre in Anspruch nehmen kann."

Deutsche-Bank-Chef Cryan lässt keinen Zweifel daran, wer für den hohen Preis verantwortlich ist, den das Geldhaus heute zahlen muss - etwa im jüngsten Milliardenvergleich mit der US-Justiz wegen dubioser Hypothekengeschäfte vor der Finanzkrise. "Das Verhalten in den Jahren 2005 bis 2007 entspricht nicht unseren Standards und ist nicht akzeptabel", betonte Cryan. Zusätzlich zu den 7,2 Mrd. Dollar (6,74 Mrd. Euro) Buße, musste sich der deutsche Branchenprimus eine Watsche von US-Justizministerin Loretta Lynch gefallen lassen: "Die Deutsche Bank hat nicht nur Investoren getäuscht, sie hat direkt zu einer internationalen Finanzkrise beigetragen."

"Unbequeme Wege"

Cryan schwört die Belegschaft auf "weiterhin unbequeme Wege" ein - und hofft, Top-Leute zumindest mit der Aussicht auf wieder steigende Boni bei der Stange halten zu können. Denn der Wettbewerb um die besten Köpfe ist hart. An der Wall Street profitieren Finanzprofis nach wie vor deutlich mehr von alljährlichen Sonderzahlungen - obwohl auch bei US-Banken in Sachen Boni die fetten Zeiten vorbei sind.

Einer Schätzung der New Yorker Beratungsfirma Johnson & Associates zufolge dürfte die Bonusrunde 2016 um fünf bis zehn Prozent geringer ausgefallen sein als im Vorjahr. Dennoch zählen Banker und Hedgefonds-Manager mit im Schnitt 350.000 Dollar Jahreseinkommen weiterhin zu den bestbezahlten Angestellten in den USA.

Aber der Trend ist eindeutig negativ: Seit 2009 haben die US-Banken ihren Bonuspool um über 30 Prozent zusammengestrichen. Im Wettbewerb um Talente etwa mit den Tech-Unternehmen des Silicon Valley musste die Wall Street daher in den vergangenen Jahren zurückstecken. Neue Hoffnung bringt der künftige US-Präsident Donald Trump, der die Spielregeln für die Finanzindustrie wieder lockern will und der Branche damit schon vor seinem Amtsantritt Auftrieb gegeben hat.

Von Jörn Bender und Hannes Breustedt/dpa