"Ich bin bei der Bundespräsidentenwahl in Österreich gar nicht wahlberechtigt", wundert sich Thomas Birtel, der Vorstandsvorsitzende der Strabag über seit Tagen laufende Diskussionen um den Ausstieg des Baukonzerns bei der Österreichischen Industriellenvereinigung (IV). Birtel, deutscher Staatsbürger und seit Juni 2013 am Steuerruder des 73.000-Mitarbeiter-Konzerns, verrät nun die finanziellen Hintergründe der Aufgabe der Mitgliedschaft bei der IV: Man habe sich dafür nach einer Abwägung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses entschieden, beim Mitgliedbeitrag wäre es "rund um einen sechsstelligen Betrag“ gegangen", so Birtel zur Kleinen Zeitung.

"Nein-zum-Öxit"-Kampagne

Im Bundespräsidentschaftswahlkampf brodelte es, Kernaktionär Hans-Peter Haselsteiner hätte den Strabag-Ausstieg bei der IV aus Zorn darüber verfügt, dass IV-Präsident Georg Kapsch sich nicht der "Nein zum Öxit"-Aktion angeschlosssen hätte. Die Wahlkampagne, die sich gegen einen Austritt Österreichs aus der EU und damit indirekt gegen den FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer richtet sowie den grünen Kandidaten Alexander Van der Bellen unterstützt, hat inzwischen bekanntlich prominente Mitstreiter wie Christian Konrad, Brigitte Ederer oder Franz Fischler gefunden.

Nun erklärt Birtel: "Es ist für uns ein ganz normaler Prozess, von Zeit zu Zeit unsere vielen Mitgliedschaften in vielen Ländern zu hinterfragen. Wenn man sich nicht systematisch in größeren Abständen fragt, ob die Mitgliedschaften noch sinnvoll sind, werden es sonst immer mehr. Das haben wir z. B. auch in Deutschland vor geraumer Zeit getan."

 - Wo die Strabag jedoch keinen „Dexit“ fürchten muss. Gerade haben sich CDU/CSU und SPD auf den angesehenen SPD-Politiker und Außenminister Frank-Walter Steinmaier als Bundespräsidenten geeinigt, der durch die Bundesversammlung gewählt wird.

In Deutschland anders

"In Deutschland", so Birtel weiter, "sind wir nicht aus dem Bauindustrieverband ausgestiegen, aber es gab durchaus genau dieselben Abwägungen wie wir sie bei der IV angestellt haben, nämlich nach Kosten-Nutzen. Da sind unsere Beiträge noch sehr viel höher. Da liegen sie im Millionenbereich und da sind wir in der Abwägung zu dem Schluss gekommen, das ist vertretbar und angemessen, aber wir engagieren uns zu wenig. Und da haben wir gesagt, wenn schon, denn schon, und dann stellen wir beispielsweise den Präsidenten des Hauptverbandes der deutschen Bauindustrie, einen Vizepräsidenten, viele Präsidenten in Landesverbänden. Bei der IV in Österreich war es eben umgekehrt", so der Strabag-CEO.

Der Mitgliedsbeitrag für Industriebetriebe bei der IV berechnet sich übrigens nach der Bruttolohn- und -gehaltssumme, wobei je nach Branche ein Betrag um 0,5 Prozent fällig ist.

Zur Bundespräsidentenwahl hat Birtel „zwar eine persönliche Meinung, aber, wie gesagt, ich bin nicht wahlberechtigt.“ Von Donald Trumps Wahl zum US-Präsidenten und der Brexit-Abstimmung Großbritanniens sieht Birtel für die Strabag vorerst keine unmittelbaren Folgen, "weil wir in Großbritannien nur eine Baustelle und in den USA zur Zeit überhaupt keine Baustelle haben. Selbstverständlich wird es mittelbar Auswirkung für die EU geben, wenn ich daran denke, dass Großbritannien ein nennenswerter Nettobeitragszahler ist."