Begleitet von lauter Motivationsmusik und Applaus schritt Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) in die Aula der Wissenschaften in Wien. Rund 500 ÖVP-nahe Gäste waren gekommen, um seine groß angekündigte Rede zur Lage der Nation zu verfolgen. Darin forderte der ÖVP-Chef seine Partei auf, die Globalisierung als Chance und nicht als Risiko zu begreifen. Inhaltlich forderte der VP-Chef eine Arbeitszeitflexibilisierung per Gesetz, eine Ökologisierung des Steuersystems, Studiengebühren und eine Lehrlingsausbildung für erwachsene Flüchtlinge.

Österreich müsse ein Land sein, "das Globalisierung als Chance und nicht als Bedrohung sieht", forderte Mitterlehner. "Nicht glauben, dass der Staat alle Probleme aussperren kann, nicht warten, bis der Staat etwas tut", so der VP-Chef - passend zum hinter ihm auf einem Großbildschirm prangenden Motto der Veranstaltung "Nur Mut bringt uns weiter".

Senkung der Körperschaftssteuer

Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit wünschte sich Mitterlehner in seiner großteils vom Blatt abgelesenen Rede einer Senkung der Körperschaftsteuer auf Unternehmensgewinne und eine Lohnnebenkostensenkung. Im Gegenzug könne sich der VP-Chef eine Ökologisierung des Steuersystems (sprich: höhere Energiesteuern) vorstellen - allerdings nur "im internationalen Gleichklang", wie er versicherte.

Mitterlehners Grundsatzrede: Plädoyer für Globalisierung und Freihandel

Außerdem deponierte Mitterlehner die Forderung nach einer Arbeitszeitflexibilisierung per Gesetz - mit der Möglichkeit von Sondervereinbarungen auf Betriebsebene. "Deswegen brauchen wir das direkt im Gesetz, nicht in 900 Kollektivverträgen", so der Vizekanzler. "Wir müssen dann arbeiten, wenn die Arbeit anfällt. Unser Motto: Arbeit, die zum Leben passt, nicht umgekehrt."

Die Kürzungspläne der ÖVP bei der Mindestsicherung verteidigte Mitterlehner. Die Frage, ob er persönlich von 560 Euro monatlich leben könnte, ist für ihn nicht relevant. "Die Frage ist nicht, ob ich das persönlich kann, sondern wie die Lebenssituation ist." Die Mindestsicherung sei keine "Dauersubvention", sondern eine "Überbrückungshilfe". Wenn jemand mit Mindestsicherung und Wohnbeihilfe mehr bekomme als ein Arbeitnehmer, sei das ein Problem.

Mit Verweis auf die anstehende Integration der Flüchtlinge wünschte sich Mitterlehner einer Lehrlingsausbildung für Erwachsene. Neuerlich plädierte er für die Wiedereinführung der Studiengebühren bei gleichzeitigem Ausbau der Stipendien. Die SPÖ hatte das bereits im Sommer abgelehnt.

Amon kritisiert Stöger

Die Rolle von Mitterlehners Vorredner übernahm ÖVP-Generalsekretär Werner Amon. Der schloss seinen Begrüßungsworten sogleich frontale Kritik am Koalitionspartner SPÖ an. Er kritisierte die Weigerung von Sozialminister Alois Stöger (SPÖ), noch stärkere Kürzungen bei der Mindestsicherung hinzunehmen. Der Sozialminister wolle nicht verstehen, "dass eine Mindestsicherung weder in ihrer Dauer noch Höhe eine Alternative zum Erwerbseinkommen sein darf", so Amon bei der Begrüßung der nach Parteiangaben 500 bis 600 geladenen Gäste in der Wiener "Aula der Wissenschaften". Der Begriff "Reformnotwendigkeit" komme in seinem Wortschaft nicht vor.

Unter dem Motto "Nur Mut bringt uns weiter" hat Mitterlehner bei der Rede Reformen eingefordert - auch um seiner in den Umfragen unter 20 Prozent dümpelnden Partei neuen Schwung zu verschaffen. Den Mut zu Reformen nahmen die NEOS der ÖVP allerdings nicht ab und stellten sich mit auf Fahrradanhängern montierten Plakaten vorm Veranstaltungsort auf. "Heiße Luft schafft keine Jobs" und "Seit 30 Jahren sichert die ÖVP nur einen Job: den des Wirtschaftsministers", so die wenig schmeichelhaften Slogans.

Zur Rede gekommen waren neben viel ÖVP-Prominenz - Minister, Bünde-Chefs, Landeshauptleute und die Altparteiobleute Wilhelm Molterer und Michael Spindelegger - unter anderem der Präsident der Akademie der Wissenschaften, Anton Zeilinger, und Ex-Rechnungshofpräsident Josef Moser.