Als Chef der Deutsche Bank stand der Schweizer für ein Jahrzehnt (2002-2012) im Rampenlicht wie kaum ein anderer Manager in Deutschland. Jetzt wird er 70 Jahre alt Das Urteil über Ackermanns Lebenswerk fällt gegensätzlich aus - je nachdem, welche Quellen man heranzieht.

Im Mai 2002 übernahm der Investmentbanker als erster Ausländer den Chefposten bei Deutschlands führendem Geldhaus. Die Anfangsjahre sind holprig: 2004 zeigt er im Gerichtssaal grinsend das Victory-Zeichen, 2005 verkündet der Deutsche-Bank-Chef in einem Atemzug ein scheinbar wahnwitziges 25-Prozent-Renditeziel und den Abbau tausender Stellen.

Ackermann fühlt sich seinerzeit missverstanden und keilt zurück: "Das ist das einzige Land, wo diejenigen, die erfolgreich sind und Werte schaffen, deswegen vor Gericht stehen", schimpft er im Jänner 2004 im Düsseldorfer Mannesmann-Prozess - eine Aussage, die er heute bereut: "Das war aus der Verärgerung heraus gesagt, unüberlegt und sehr missverständlich." Der Prozess um Untreue bei der Zahlung üppiger Prämien im Zusammenhang mit der Mannesmann-Übernahme durch Vodafone wurde nach fast drei Jahren gegen Geldauflage eingestellt.

In der Finanzkrise 2007/08 präsentiert sich Ackermann geläutert. "Kein Geschäft ist es wert, den guten Ruf der Deutschen Bank aufs Spiel zu setzen" - wie eine Monstranz trägt der Manager dieses Credo in seinen letzten Jahren an der Deutschen-Bank-Spitze vor sich her. Die Krise habe Ackermann "nachdenklicher, menschlicher" gemacht, sagt ein Weggefährte. "Späte Reue" nennt es Ackermanns damaliger Kommunikationschef Stefan Baron in einem gleichnamigen Buch.

Würde er heute wieder Banker werden? "Vermutlich ja. Der Beruf ist sehr reizvoll für Menschen, die vor allem an wirtschaftlichen Dingen interessiert sind, wie ich es bin, denn er bietet nicht nur Einblick in eine einzige Branche, sondern in die gesamte Wirtschaft. Er macht dadurch auch viele Freundschaften mit Menschen verschiedenster Art in vielen unterschiedlichen Wirtschaftszweigen möglich. Zudem hat er eine starke politische Dimension."

Als Deutsche-Bank-Chef steigt "Joe" Ackermann zum gefragten Gesprächspartner der Politik auf. Ob Notfallplan für die Hypo Real Estate oder Bankenbeitrag zur Griechenland-Rettung: Der Schweizer verhandelt mit. Doch mit deutlichen Worten eckt er immer wieder an. Ob es um Staatshilfen für strauchelnde Banken geht ("Ich würde mich schämen, wenn wir in der Krise Staatsgeld annehmen würden.") oder die Krise um Schuldensünder Griechenland ("Ob Griechenland über die Zeit wirklich in der Lage ist, diese Leistungskraft aufzubringen, das wage ich zu bezweifeln.").

Geboren am 7. Februar 1948 in Mels im Kanton St. Gallen lässt sich Josef Ackermann von Vater Karl, einem Arzt und Börsenfan, begeistern: Nach Gymnasium und Militärdienst studiert er Wirtschaftswissenschaft in St. Gallen. Von 1977 an arbeitet er für die Schweizerische Kreditanstalt, die heutige Credit Suisse. 1996 holt ihn Hilmar Kopper zur Deutschen Bank, dort steigt Ackermann schnell zum obersten Investmentbanker und 2002 zum Konzernchef auf.

Ohne Steuergelder, so rühmt sich Ackermann, sei die Deutsche Bank durch die Finanzkrise gekommen und habe nach den turbulenten Jahren erneut Milliarden verdient. Fast sechs Jahre nach seinem Abschied aus den Zwillingstürmen kämpft Ackermann auch um sein Erbe.

Denn die Erfolgsgeschichte kommt längst nicht mehr so makellos daher, wenn die heutige Konzernführung sie erzählt: Die Bank sei Probleme zu spät angegangenen, kritisierte Vorstandschef John Cryan im Sommer 2017: "Sie marschierte lange weiter in die eingeschlagene Richtung. Andere Häuser nahmen schon 2010 oder 2011 große Veränderungen in Angriff." Vor wenigen Tagen musste Sanierer Cryan zum dritten Mal in Folge für ein Gesamtjahr rote Zahlen erklären.

Zinsmanipulationen), dubiose US-Hypothekengeschäfte - die Liste der teuren Altlasten, die die vergangenen Jahre belasteten, ist lang. Ackermanns Anspruch, das Haus "besenrein" an seine Nachfolger zu übergeben, also ein leeres Versprechen? Der Jubilar betont: "Ich habe seinerzeit eine Bank an meine Nachfolger übergeben, die für die Zukunft gut aufgestellt war." Das damalige Management habe "alles zeitnah korrigiert, was als korrekturbedürftig erkennbar war".

Privat in Zürich verwurzelt, setzt Ackermann mit seiner finnischen Frau Pirkko, die er 1977 heiratete, heute andere Schwerpunkte. "Ich reise gerne und kann mir dabei jetzt öfter die Zeit nehmen, zu verweilen. Ich lese vieles, wozu ich früher nicht gekommen bin, besuche mit meiner Frau Konzerte und Kunstausstellungen, wandere mit Freunden in den Bergen und spiele etwas Golf."