Kurz vor dem Jahresende dürfte die von Börsianern erhoffte Rallye am Aktienmarkt zunächst ausfallen. "Der Start in den Dezember fällt frostig aus", sagte ein Händler. Das zähe Ringen um die US-Steuerreform, der politische Stillstand in Deutschland und ein starker Euro drückten die Stimmung. Gewinnmitnahmen und höhere Kursschwankungen seien in der neuen Woche wahrscheinlich.

In der abgelaufenen Woche büßte der deutsche Leitindex DAX 1,5 Prozent auf 12.861 Punkte ein. Die Börsen in Europa und an der Wall Street gerieten am Freitag unter Druck durch eine neue Entwicklung in der Russland-Affäre von US-Präsident Donald Trump. Auslöser war ein Bericht des Senders ABC News, wonach Ex-Sicherheitsberater Michael Flynn aussagen wolle, Trump habe ihn angewiesen, mit Russland in Kontakt zu treten. Der Sender NBC News berichtete hingegen, dass Trumps Schwiegersohn Jared Kushner der Anstifter gewesen sein soll.

Aus Börsianersicht günstige Nachrichten gab es am Samstag. So billigte der US-Senat eine Gesetzesvorlage zu der von Trump angekündigten Steuerreform, die Firmen deutliche Entlastungen bringen soll. In der neuen Woche dürften die Gespräche zwischen Senat und Repräsentantenhaus beginnen, das bereits einen eigenen Entwurf verabschiedet hat. Beide müssen ihre Vorlagen zur Deckung bringen, damit die Reform durch Trumps Unterschrift Gesetzeskraft erlangen kann.

An den Finanzmärkten kämpfen derzeit Pessimisten und Optimisten, die lange die Oberhand hatten, um die Vorherrschaft. "Konjunktur und Geldpolitik wirken weiter fördernd für die Aktienmärkte", sagte Hans-Jörg Naumer von Allianz Global Investor. "Die Kombination aus solidem Makrowachstum und sprudelnden Unternehmensgewinnen einerseits, bei niedrigen Zinsen andererseits, bleibt vorerst erhalten", betonte auch Martin Lück, Chef-Anlagestratege für Deutschland, Österreich und Osteuropa beim weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock. Daran ändere auch das Tauziehen um die Bildung einer neuen Bundesregierung wenig. "Deutschland und seinen Unternehmen geht es gut, nicht wegen, sondern trotz der Politik."

Andere sehen das hingegen kritischer: "Internationale Investoren stellen das politische Risiko in Deutschland gleich mit jenem Großbritanniens im Zusammenhang mit dem Brexit", sagte Jochen Stanzl von CMC Markets. Anlage-Experte Joachim Goldberg von der Beratungsfirma Goldberg und Goldberg sieht für den DAX bei 13.300 Punkten erst einmal das Ende der Fahnenstange. Es bedürfe größerer Impulse, um den Kursen weiteren Schub zu verleihen.

Ein wichtiger Faktor für die Stimmung an der Börse ist die Entwicklung des US-Arbeitsmarktes. Von diesen Daten erhoffen sich Börsianer Rückschlüsse auf Zeitpunkt und Tempo der erwarteten Zinserhöhungen der Notenbank (Fed). Die offiziellen Zahlen werden am Freitag publiziert, einen Vorgeschmack bieten die Daten der privaten Arbeitsagentur ADP am Mittwoch.

Im September und Oktober hatten die Hurrikans "Harvey" und "Irma" die US-Arbeitsmarktstatistik stark durcheinandergewirbelt. Für November hoffen Börsianer auf mehr Klarheit und rechnen im Schnitt mit 185.000 neuen Stellen. "Wir erwarten ein solides Beschäftigungsplus bei weiterhin moderatem Lohndruck", sagt die Commerzbank voraus. "Dies sollte reichen, die Fed in zwei Wochen zu einer Zinserhöhung zu bewegen."

Zum Auftakt der neuen Woche erwarten Investoren zudem die Auftragseingänge der US-Industrie. Am Mittwoch folgen vergleichbare Zahlen der deutschen Unternehmen. Außerdem stehen die europäischen Einzelhandelsumsätze auf der Agenda (Dienstag).

Gleich drei DAX-Unternehmen laden zum Kapitalmarkttag: Am Dienstag ist die Deutsche Bank an der Reihe, am Mittwoch ProSiebenSat.1, und am Freitag folgt ThyssenKrupp. Interessant wird es auch bei Siemens. Der Münchner Konzern stellt am Donnerstag seine Medizintechnik-Sparte vor, die der ersten Jahreshälfte 2018 an die Frankfurter Börse soll. Mit einem erwarteten Emissionsvolumen von sechs bis zehn Milliarden Euro wäre es der größte Börsengang in Deutschland seit der Telekom vor 20 Jahren.