Strukturen infrage zu stellen, Mut zur Veränderung zu zeigen – auch dort, wo es um quasi festgeschriebene Dinge geht –, ist für Regionen überlebenswichtig.“ Um den Wirtschaftstandort zu sichern, mahnt Monika Kircher unablässig zu Reformen. Die ehemalige Vorstandsvorsitzende von Infineon Austria sitzt heute in mehreren Aufsichtsräten (AUA, Andritz, Siemens Österreich). Bei einer Veranstaltung des BSA Steiermark sprach sie über ...

...die Zukunft der Industrie: Ohne Industrie geht es nicht. Auch wenn viele vor zehn, zwanzig Jahren schon das postindustrielle Zeitalter beschworen haben. Gerade durch die Digitalisierung wird die Industrie ein ganz wichtiger Faktor für Beschäftigung, Wohlstand und Internationalisierung sein. Die Region östliche Obersteiermark ist heute schon eine Vorzeigeindustrieregion. Sie hat heute steiermarkweit das höchste Bruttomedianeinkommen pro Kopf – es ist sogar höher als in Graz. Das zeigt sehr eindrucksvoll, dass die Industrie bei allen Krisen immer noch wichtiger Arbeitgeber ist.

... die Zukunft von Regionalflughäfen: Als Kärntnerin kämpfe ich natürlich dafür, dass es den Flughafen Klagenfurt weiter gibt, weil es für Kärnten ein Todesstoß wäre, wenn er geschlossen werden würde. Aber ich sitze im Aufsichtsrat der Austrian Airlines und habe dort darauf zu achten, dass die AUA wirtschaftlich überlebt – was in der Flugbranche nicht leicht ist. Und wenn die Semmering-Koralmbahn fertig ist, muss man die Berechtigung der Regionalflughäfen als Zubringer-Flughäfen infrage stellen, weil die ÖBB das zusätzlich abfangen werden. Aus meiner Sicht sind Linz und Klagenfurt die am meisten gefährdeten Flughäfen. Graz ist anders. Da hat man es früh genug geschafft, Passagiere aus anderen Regionen, Direktverbindungen und Ferienflieger zu bekommen und zu halten.

... die Notwendigkeit von Reformen: Manchmal muss man alte Zöpfe abschneiden und es entsteht etwas Besseres, Neues. Aber das ist nicht europäische DNA. Ich bin jedoch dagegen, den Leuten Sand in die Augen zu streuen, bei Dingen, die wir nicht „dazahlen“ werden. Die Steiermark hat diesbezüglich Mut bewiesen, Dinge infrage zu stellen, wo andere glauben, das sitzen wir 30 bis 100 Jahre aus – obwohl wir wissen, dass das nicht klappen wird.

... die Notwendigkeit für Kooperationen: Sie sind in Zeiten des Wandels ein Schlüsselfaktor. In der Steiermark wurde – das sage ich als Kärntnerin durchaus mit positivem Neid – im Tourismus, in der Landwirtschaft, im Wissenschaftsbereich, in der Industrie schon früher und besser als in anderen Bundesländern kooperiert.

... den Rückbau von Infrastruktur: Warum fürchten wir uns so davor, einmal etwas rückzubauen, abzuschaffen oder zuzusperren? Allein das Wort Rückbau auszusprechen, tut uns Europäern weh, weil wir so linear sozialisiert sind, dass alles, was wir einmal haben, irgendwie weitergeführt und mehr werden muss. Aber warum nicht auch Infrastruktur rückbauen? Warum nicht ganz klar sagen, die Infrastruktur, die wir vor 50 Jahren gebraucht und gebaut haben, brauchen wir in zwanzig Jahren nicht mehr. Bauen wir sie jetzt zurück, solange wir es uns noch leisten können und bevor uns die Betriebskosten erschlagen. Also selbst verändern, solange man sich noch bewegen kann, und nicht erst, wenn man mit dem Rücken zur Wand steht und zu Veränderungen gezwungen wird. Wir müssen uns davor hüten, Geld in sinnlose Dinge zu stecken, nur weil etwas immer so war und es so sein muss. Aber das Schließen allein genügt nicht. Man muss den Leuten eine Vision für das Danach vermitteln. Meine Kritik lautet also: Fehlt es uns nicht an Visionen für das Danach?