Sie mögen es nicht, wenn Anexia als Start-up bezeichnet wird. Was ist an dem Begriff so verwerflich?
Alexander Windbichler: Ein Start-up wird mit innovativen Lösungen, aber auch Trial and Error verbunden. Was überhaupt nichts Schlechtes ist, ich bin ein Freund der Start-up-Szene. Wir aber müssen Vertrauen beim Kunden erwecken. Unsere Kunden wollen uns idealerweise die nächsten hundert Jahre haben und achten sehr darauf, dass ja nichts passiert.

Sie sind Alleineigentümer von Anexia, mit einer Eigenkapitalquote von 50 Prozent. Auch das unterscheidet Sie von Start-ups. Ist Unabhängigkeit so wichtig?
Ja, denn nur so können wir Entscheidungen sehr schnell treffen. Es gibt viele schlechte Beispiele für die Probleme bei komplexeren Eigentümerstrukturen. Die Eigenkapitalquote ist ein relativer Wert. Unterm Strich versuchen wir, so viele Rücklagen zu haben, dass uns so schnell nichts umbringen kann.

Die Kriegskassa zur Übernahme von Mitbewerbern scheint gefüllt.
Bei uns gibt es sehr viele Skalierungseffekte. Durch Übernahmen haben wir unser Business-Modell so gestreut, dass wir bei keinem Kunden einen so nennenswerten Anteil haben, dass uns ein Kunde in Probleme bringen könnte. Im Moment planen wir nicht zwangsweise weitere Unternehmen zu akquirieren, sondern uns zu konsolidieren. Wir haben jetzt 160 Mitarbeiter und stellen 13 weitere Personen, nicht nur in Kärnten, ein. Ziel ist es, das organische Wachstum weiter zu unterstützen und die interne Organisation im Unternehmen an die Größe anzupassen. Die 170 werden anders geführt als Anexia vor eineinhalb Jahren mit 110 Mitarbeitern. In Klagenfurt haben wir mehr als 80 Mitarbeiter.

Die letzte größere Akquisition war Netcup in Deutschland?
Wir besetzen bestimmte strategische Punkte, die uns wichtig sind. Wir haben im Juni ein großes Rechenzentrum mit 1200 Quadratmeter Fläche in Virginia, nahe Washington D.C., übernommen. Hier haben wir viele Behörden und Flugzeughersteller als Kunden. Das ist die größte Rechenzentrumsfläche, die wir jetzt haben.

Sind Deutschland und Amerika Ihre strategischen Zielmärkte?
Die DACH-Region und Nordamerika sind uns sehr wichtig. Wir würden definitiv schon die doppelte Größe haben, würden wir alles machen, was wir könnten. Aber Expansion um jeden Preis ist uns nicht wichtig. Alles muss Maß und Ziel haben.

Ihre Geschichte erinnert an das Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Märchen.
Ich bin überhaupt nicht monetär getrieben, hätte schon mehrmals verkaufen können. Wir investieren sehr viel von dem, was übrig bleibt, in die Weiterentwicklung der Technologie, in die Cloud-Plattform, in die Software, in die Produkte und die Dienste, die wir anbieten.

Wie differenziert sich Anexia?
Technisch ist ungefähr alles das gleiche. Wir punkten damit, dass wir unser Bestmögliches geben, der Kunde sehr moderne Dienstleistungen kriegt. Die meisten Cloud-Anbieter weltweit sind Amerikaner. Wir sind einer der wenigen, die in Zentraleuropa ihre Niederlassung haben und damit eine Vertrauensstellung. Wo kaufe ich Semmeln? Beim Nachbar, wenn sie dort ähnlich gut schmeckt, oder beim internationalen Anbieter? Wir versuchen gute Semmel zu machen, sodass man sie auch lokal kaufen kann.

Sie waren 19, als Sie anfingen.
Ich habe das Unternehmen zwischen schriftlicher und mündlicher Matura gestartet, nach der Feier der schriftlichen Matura habe ich Anexia gegründet.

Sie waren, heißt es, kein besonders guter Schüler.
Nichts, worauf ich stolz bin. Aber es kommt immer darauf an, was Sie tun. Ich habe das, was ich gekonnt habe, in der Praxis umgesetzt.

Anexia stand aus einem Maturaprojekt heraus?
Ja. Wir haben schnell gemerkt, Internetzugänge zu verkaufen ist zu wenig, um Mitarbeiter zu versorgen. Wir haben zu programmieren begonnen. Alles, was übrig geblieben ist, habe ich investiert. Nach dem Bundesheer habe ich den ersten Mitarbeiter angestellt, ein Kollege aus der Diplomarbeitsgruppe.

War es immer klar, dass Sie der Chef sind?
Ich habe versucht, meine Ideen umzusetzen. Und nicht jeder ist für die Selbstständigkeit gemacht. Ich war einer der wenigen, die mit 19 einen Gewerbeschein gemacht haben. Unternehmer zu sein ist das Mittel zum Zweck, um das zu machen, was ich will: technische Lösungen umsetzen. Ich bin jetzt in die Rolle hineingewachsen.

Wurde ihnen bei dem massiven Wachstum einmal mulmig ob der Verantwortung?
Ich habe sehr hohen Respekt vor dem, was wir haben.

Sie sind Klagenfurt aus „Grundloyalität“ treu geblieben – wäre es woanders einfacher für Sie?
Es ist eine gewisse Heimatverbundenheit da. Es ist ein Geben und Nehmen und man hat ja auch etwas vom System bekommen. Natürlich wäre es in Wien viel leichter, in Österreich ist Kärnten eine gewisse Herausforderung. Ich beobachte sehr stark, wie sich Kärnten entwickelt. Ich kann als Unternehmen von Kärnten aus aber genauso erfolgreich sein. Wir suchen hier händeringend Leute – weltweit sind es sogar 40 Jobs.

Ist der Streamingdienst „Netflix“ für Sie ein Vorzeigekunde?
Netflix, das kann sich jeder vorstellen. Wir haben aber auch viele andere prominente Kunden, wie Schrack, Lufthansa, Airbus. Internationale Kunden aus allen Branchen, allen Größen. Gerade die interessanten Kunden, etwa aus dem Bankensektor, schätzen Diskretion. Die Anexia selbst hat weit über 2000 Kunden an 80 Standorten weltweit – Vietnam, Sao Paulo, Russland, China, Afrika … .

Rauben Ihnen Cyberangriffe den Schlaf?
Allein zu der Zeit, zu der wir da sitzen, hatten wir weltweit 3000 bis 4000 feindliche Angriffe. Wir schützen uns durch ein Cyber-Defense-IT-Team, das sich um die Datensicherheit kümmert. 100-prozentige Sicherheit gibt es nie, aber ich kann einfache Fehler, die meistens zu Leaks führen, verhindern. Unser Level ist so hoch, dass wir noch nie Daten von Kunden verloren haben. Aber ausschließen kann man es nicht.


Wie schaut Ihr Alltag aus?
Ich versuche im Moment nicht so viel unterwegs zu uns und mich darum zu kümmern, das Unternehmen nachhaltig und stabil auszubauen. Ich bin also meistens in Klagenfurt oder Wien, verbringe viel Zeit im Unternehmen.

In den nächsten Jahren geht es vor allem um Konsolidierung?
Das Thema ist nachhaltige Stabilität – es gibt jetzt Stellen, die es vorher nicht gegeben hat, wie zum Beispiel, Leute die sich nur um Prozesse kümmern. Wir haben das Marketing, den Finanzbereich, das Controlling ausgebaut. Was früher mitgemacht wurde, wird heute zu einer Abteilung. Wir überlegen auch, demnächst in Klagenfurt eine neue Firmenzentrale zu bauen. Dafür reservieren wir in den nächsten Monaten entsprechende Zeit. Wir sind hier (Anmerkung: am Standort in der Feldkirchner Straße) schon sehr eng, müssen Leute an anderen Standorten zwangsweise anstellen und versuchen, das hier zu konzentrieren. Wir werden weiter wachsen.

Bleiben Sie auf lange Sicht Alleineigentümer?
Es ist heute fast schon ausgeschlossen, dass ich das Unternehmen irgendwann ganzheitlich verkaufen würde. Auch Investoren an Bord zu holen hätte noch nie Sinn gemacht. So etwas würde uns eher einschränken als weiterbringen.