CO2 genießt im All­gemeinen ja nicht gerade den besten Ruf. Umso mehr ­Unternehmen schickten sich also in den letzten Jahren an, ihr Image aufzupolieren, indem sie durch verschiedenste Maßnahmen das in ­jedem Produktionsprozess unvermeidlich anfallende Kohlendioxid ­reduzieren oder kompensieren. CO2-neutrale Produktion heißt das Schlagwort. Und fast hat man schon den Eindruck, in Österreich sei die immerwährende CO2-Neutralität ausgerufen worden.

Besonders auffällig: die hohe Zahl an heimischen Brauereien, die ihren Kunden reines Bier einschenken wollen. „Bieronier“ in diesem Bereich ist Alois Gratzer, dessen 2002 gegründete oststeirische Kleinbrauerei seit 2011 der Titel „erste CO2-neutrale Brauerei Österreichs“ schmückt. 2014 folgte die Murauer Brauerei (als erste CO2-neutrale Brauerei mit über 100.000 Hektoliter Jahresproduktion), ein Jahr später dann die Gösser-Produktionsstätte in Leoben-Göss (als erste CO2-neutrale Großbrauerei der Welt).

© RENE STRASSER
© RENE STRASSER

Doch wie funktioniert das? Was kostet’s und was bringt’s? „Im Prinzip geht es darum, dass jeder einzelne Produktionsschritt, der unser Bier berührt, in eine CO2-Bilanz mit einberechnet wird“, sagt Alois Gratzer. Das beginne beim Traktor für den Anbau der regionalen Braugerste und gehe über den ausgelagerten Prozess der Mälzerei (die er ebenfalls ins Boot holte) bis hin zur Herstellung der Tanks. Oder der Bierkisten, die bei Gratzer von Sozialfirmen wie „Lebenshilfe“ und „Chance B“ aus heimischem Holz hergestellt werden. „Das ist teurer, aber verursacht durch den kleinen Anfahrtsweg weniger CO2.“

Durch innerbetriebliche Maßnahmen wie den Bau eines Wärmerückgewinnungssystems hat es Gratzer geschafft, das im Betrieb verursachte CO2 um 70 Prozent zu senken. Dass er seit der ersten Stunde Mitstreiter der „Ökoregion Kaindorf“ ist, macht sich auf dem Weg zur CO2-Neutralität bezahlt, denn eines sei auch klar: „Als produzierender Betrieb kannst du den CO2-Ausstoß nicht auf null senken, sobald du den Transport mitrechnest.“ Die restlichen 30 Prozent kompensiert Gratzer mit regionalen Zertifikaten, die die Ökoregion mit eigener CO2-Börse ins Leben gerufen hat.


Während manche Industriebetriebe also durch Baum­pflanzungen in Regenwäldern CO2-neutral werden, bekommen findige Bauern aus der Region Geld (30 Euro pro Tonne CO2) von Betrieben wie Gratzer dafür, dass sie auf ihren Äckern durch schonende Arbeitsweise Humus aufbauen (das bindet CO2 im Boden).
Der von Gratzer erwünschte Nebeneffekt: Der Aufbau von Humus bedingt geringeren Einsatz von Kunstdünger. Die nachhaltige agrarische Bewirtschaftung schützt wiederum sein „heiligstes Gut“, wie er es nennt: das reine Quellwasser zum Bierbrauen. „Als Brauerei hätte ich ein enormes Problem, wenn das Grundwasser nicht passen würde!“
Das war aber erst der erste Schritt: Gratzer hat es sich auch zum Ziel gemacht, sämtliche Materialien aus der Region zu beziehen. Das beginnt beim Holz für die Kisten und geht neuerdings bis zur Braugerste, die mittlerweile vier Bauern in der Umgebung für ihn produzieren. „Bald werden wir es auch mit oststeirischem Hopfen versuchen.“ Der Vorteil: „Ich kann selbst alle Vorgänge mitkontrollieren.“

Im Match zwischen Großbrauereien und den vielen kleinen, aus dem Boden schießenden Microbreweries sieht Gratzer die Alleinstellung seiner mittelgroßen Brauerei in der bedingungslosen Regionalität. Auch wenn sein Betrieb seit Jahren fast dreistellig wächst und bereits 2000 Hektoliter Bier für Gastronomie und Endkunden braut, sagt Gratzer: „Als kleine Brauerei erwarte ich mir, dass mein Nachbar mein Bier trinkt. Also muss ich mich auch selbst dran halten und ihm Bier geben, das in echter Nachbarschaft entstanden ist.“