Nach mehreren Tagen des "Flirtens" war es in dieser Woche endlich so weit: Am Donnerstag, kurz nach 17 Uhr übertraf der Euro/Franken-Kurs kurzzeitig die Marke von 1,20. Der nächste Anlauf am Freitag war schon etwas nachhaltiger, rund eine halbe Stunde dauerte der Ausflug über die ominöse Marke, welche den ehemaligen Mindestkurs markiert. Noch Anfang März waren es nur 1,15 Franken. 

Experten rechnen auch nicht mit einer kurzfristigen Korrektur dieser Bewegung. Ganz nach dem Motto: "The trend is your friend". Dass übrigens in den letzten Wochen auch der Dollar gut zum Franken lag, lässt laut Beobachtern weniger auf einen starken Euro, als vielmehr auf einen schwachen Franken schließen.

Vom Tempo des Euro-Franken-Paares überrascht

UBS-Ökonom Daniel Kalt zeigt sich, befragt von der Wirtschaftsnachrichtenagentur AWP, vom Tempo des Euro-Franken-Paares etwas überrascht. Allerdings müsse sich erst noch zeigen, ob der Euro auch dauerhaft über 1,20 Franken bleiben könne. Er jedenfalls rechne weiterhin mit einem leicht stärkeren Euro, sowohl zum Franken, als auch zum Dollar.

Im Urteil von Kalt hat der Franken zudem seine Eigenschaft als "sicherer Hafen" etwas eingebüßt, weil die Schweiz als kleine, extrem offene und vom Export abhängige Volkswirtschaft von der derzeitigen geopolitischen Bedrohungslage selber recht stark betroffen sei. Ein eskalierender Handelsstreit mit Schutzzöllen wie auch die US-Sanktionen gegen Russland würden die Schweiz sehr direkt treffen.

Dies sei 2011/12 anders gewesen. Europa stand seinerzeit unter dem Druck und dem Eindruck der Schuldenkrise. Die Schweiz als wettbewerbsfähige und sehr niedrig verschuldete Volkswirtschaft sei deutlich besser dagestanden, erklärte Kalt. Damals wertete der Schweizer Franken stark auf - bis die SNB mit dem Mindestkurs im September 2011 die Reißleine zog.

Unterschiedliche Strategien der Notenbanken

Die andere wesentliche Triebfeder der Bewegung dürfte die zunehmend divergierende geldpolitische Haltung der EZB und der SNB sein. Während die europäischen Währungshüter zumindest einen sanften Strategiewechsel ihrer geldpolitischen Ausrichtung erkennen lassen, zeigte man sich auf der schweizerischen Seite unbeeindruckt, meint etwa Thomas Gitzel von der VP Bank.

SNB-Präsident Thomas Jordan sieht in der Tat gar keinen Grund, sich der etwas sanfteren Rhetorik seiner Kollegen in Frankfurt anzuschließen. Und vom "sicheren Hafen" habe man sich auch nicht entledigt, sagte er in einem Interview mit "Bloomberg TV", nur wenige Stunden, nachdem der Franken zum ersten Mal seit Anfang Jänner 2015 die 1,20er-Marke durchbrochen hatte.

Die SNB habe es "nicht eilig", ihre Geldpolitik anzupassen, erklärte Jordan. "Wir sind überzeugt, dass die derzeitige Geldpolitik noch notwendig ist". Der jetzige Rückgang des Frankens gehe zwar in die "richtige Richtung", die Schweizer Währung ist aber in der Einschätzung nach immer noch ein "sicherer Hafen". Und da die Inflation immer noch niedrig sei, werde die Nationalbank ihre Politik fortsetzten, "so wie sie heute ist."